Carfree Times

      Ausgabe 47

30. August 2007     
 
Venice canal
Venedig
©2005 J.Crawford

Bekanntmachungen

E-Mail Probleme

Immer mehr E-Mail-Adressen vom Mailserver bei carfree.com werden nicht zugestellt. Zu viele Serverbetreiber blockieren zu viele E-Mails. Wenn eine Email mit der Ankündigung einer neuen Ausgabe zurückgewiesen wird lösche ich die Adresse ohne den Ursachen nachzugehen. Wenn Sie Carfree.com auf Ihre "Whitelist" setzen sollten alle Nachrichten ankommen. Spam wird nur durch kostenpflichtige Email eliminiert werden können.

Größere, bessere (?) Carfree Times

In einigen der letzten Ausgaben von Carfree Times waren etliche Photos enthalten und das Herunterladen könnte für einige Nutzer mühsam werden. Bitte setzen Sie mich in Kenntnis darüber falls Sie dies Problem haben.

Carfree Design Manual

Das neue Buch ist kurz vor der Fertigstellung. Ich hoffe, dass es diesen Herbst in Druck gehen wird.

Carfree Cities Verfügbarkeit

Sowohl die Paperback- als auch die gebundene Ausgabe von Carfree Cities sind weithin erhältlich. Details auf der Bestellseite.

Unterstützung von Carfree.com

Trevor Smith and Shelley Marie Webb übernahmen den September 2007. Ed Beale hält uns im Oktober, November & Dezember 2007 am Laufen. Dr. Irving Rudman zahlte für January 2008. Dank allen Spendern für ihre Großzügigkeit. Bitte gehen Sie zur Support Page wenn Sie daran denken sich zu beteiligen.


   World Carfree Network

Carfree.com unterstützt das World Carfree Network (WCN) durch die Bekanntgabe der wichtigsten Netzwerk-Nachrichten. Besuchen Sie die WCN Webseite wenn Sie mehr Nachrichten über Aktivitäten und Mitgliedschaft im WCN suchen.

Towards Carfree Cities VII

Die Konferenz "Towards Carfree Cities VII" findet momentan in Istanbul, vom 27.-31. August 2007 statt, allerdings unter schnell arrangiertem neuem Dach, da die Mimar Sinan Fine Arts University ihren Versprechen nicht nachkam, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Das Thema der diesjährigen Konferenz ist "Lebenswerte Zukunft im Klimawandel."

Towards Carfree Cities VIII

Portland, Oregon, wird Gastgeber der ersten "Towards Carfree Cities"-Konferenz auf amerikanischem Boden in 2008 sein. Ich freue mich auf eine hervorragende Konferenz in der fortschrittlichsten Stadt der USA.

Lügenkampagne

Das WCN wurde seitens einer deutschen Zeitung beschuldigt Auto-Vandalismus Vorschub geleistet zu haben. Deutsche Mitglieder des WCN wurden von einem Artikel in der Berliner Morgenpost überrascht, in dem Vandalismus an Autos in Berlin mit dem WCN in Verbindung gebracht wurde. Hektische Aktivität in Prag und Berlin rief Presseveröffentlichungen sowohl auf Englisch[PDF!] als auch auf Deutsch hervor.Das WCN verurteilt Gewalt und weist jede Verbindung zu Vandalismus in Berlin (oder anderswo) zurück.

2nd Annual Street Conversion Design Contest

Der Wert menschlicher, autofreier Gebiete wird zunehmend mehr geschätzt. Doch wie soll man Straßen voller Autos autofrei umgestalten? Der 2nd Annual Street Conversion Design Contest fordert Architekten, Künstler und Bürger weltweit dazu auf, lebensfreundliche, autofreie Zonen zu schaffen.

Netzwerk Projekte

Das Netzwerk fördert viele Projekte, an denen Sie teilnehmen können, angefangen von der jährlichen Ecotopia Fahrradtour zu dem autofreien Pilotprojekt. Auf der Projektliste können Sie auch Kontakt mit den Projekt-Koordinatoren aufnehmen. Das Netzwerk sucht auch immer motivierte junge Leute (EU-Bürger im Alter zwischen 18 und 25 Jahren) für einjährige Praktika bei dem Prager Team.


 
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Kanäle Venedigs

Im Oktober 2005 verbrachte ich zehn wundervolle Tage in meiner Lieblingsstadt Venedig. Mit meiner digitalen Kamera machte ich 3.500 Fotos. Ich habe etliche Fotografien von den Kanälen Venedigs über diese Ausgabe verstreut. Die Kanäle dienen vielfältigen Zwecken, zu denen in anderen Städten Straßen nötig sind, einschließlich Gütertransport


 

Kurznachrichten

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Dongtan, eine neue, grüne Stadt?

In China entsteht nahe Schanghai eine neue Stadt auf einer Insel im Jangtse-Fluss. Die Marscheninsel etwa von der Größe Manhattans ist Rastgebiet einer bedrohten Vogelart. Die neue Stadt soll Dongtan heißen, und der Baubeginn soll Ende diesen Jahres erfolgen. Sie wird mit Schanghais neuem Flughafen sowie dem Finanzbezirk durch eine U-Bahn verbunden sein. Die Bevölkerung soll einmal 500.000 betragen.

Es wird eine grüne Stadt in einer nicht für ihre Umweltfreundlichkeit bekannten Umwelt sein. (In manchen Provinzen wurden über 90 Prozent der Bäume angeholzt.) Giftiger Müll wird überall abgekippt und Flüsse färben sich schwarz. Die Umweltbelastungen stiegen seit den 1980ern, als chinas exorbitantes Wirtschaftswachstum begann. Ausländische Gesellschaften verlegten ihre schmutzigste Produktion nach China. Der Energiebedarf stieg und China nimmt inzwischen pro Woche ein Kohlekraftwerk in Betrieb. China ist im Begriff, in Kürze die USa als größter Produzent von Treibhausgasen abzulösen. Die Emissionen Chinas haben seit 2001 nehr zugenommen als die aller industrialisierten Nationen zusammengenommen. China wurde wohlhabender; gleichwohl leben noch immer etwa 10 Prozent der chinesen von weniger als einem Dollar pro Tag. Und inzwischen kostet die Umweltverschmutzung China schätzungsweise 10 Prozent seines Bruttonationaleinkommens. Die Belastungen für Gesundheit und Lebensqualität sind enorm. Laut Regierungsangaben sterben 300.000 Menschen pro Jahr vorzeitig nur aufgrund der Luftverschmutzung. China muss seine Geschichte überwinden.

Die wichtigste Lektion bei der Planung von Dongtan war, dass eine großflächige Bebauung im US-Stil keine Chancen bietet die vorgegebenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Planer sahen auf den Energieverbrauch in Städten und setzten Energie gegen Bebauungsdichte. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine sehr dichte Bebauung wie etwa in Hong Kong das Bild im Vergleich mit mäßig dichter Bebauung wie in Stockholm nur geringfügig verbesserte, und setzten daher auf etwa 125 Menschen pro Hektar in mittelhohen Gebäuden.

Doch dann wurde es lustig. Als man Musterblöcke auf die Gebietskarte setzte, stellte man fest, dass man zehn Mal so viele Menschen auf einem kleineren Teil des Gebiets unterbringen konnte als erwartet. Tatsächlich würde man nur 35 Prozent des Gebiets bebauen müssen, in Einheiten entlang der öffentlichen Verkehrswege. Mischnutzungsgebiete werden der Normalfall werden.

Der Dongtan Masterplan ist die grüne Antwort auf Chinas Umweltkrise. Die Stadt wird durch örtliche, erneuerbare Energiequellen betrieben. Gut isolierte Gebäude werden in dichter, fußläufiger Bebauung zusammengefasst. Der meiste Abfall wird recycelt. Es gibt keine Fahrzeuge, die CO2 ausstoßen. Das Gelände ist momentan noch völig unerschlossen, doch das wird sich blitzartig in den nächsten Monaten ändern. Wird Dongtan zu einem Modell für die Welt werden? Das kann man derzeit noch nicht sagen, doch das Vorhaben ist ehrgeizig und vielversprechend.

Bei der Shanghai Residential Conference 2000 (die 1996 stattfand), brachte ich eine Stadt ähnlich des Referenzbezirks ins Gespräch. Der Vorschlag ging um eine Millionenstadt, auf einem Gelände nicht weit von Dongtan. Am Ende meines Vortrags erhob sich damals der iranischstämmige Architekt Hossein Amanat und beschwor die Chinesen, nicht die gleichen Fehler wie die Amerikaner mit ihrer autogerechten Stadtplanung zu begehen. Womöglich haben einige Leute zugehört.

"Pop-Up Cities: China Builds a Bright Green Metropolis"
Wired
Issue 15.05, April 24 2007


Kanal in Venedig
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Träum weiter

Der Künstler Emil Choski hat vom Verkehr und den Abgasen auf der Bedford Avenue in Williamsburg/Brooklyn die Nase voll. Er träumt einfach von einem "Autofreien Bedford." Aller Verkehr soll auf Länge von 10 Blocks entlang der Hauptverkehrsstraße verschwinden. Gras und Bäume sollen in der Mitte der Straße, die zu einer Promenade mit Restaurants und Cafés werden soll, gepflanzt werden. Rinnsteine sollen durch Radwege, Beton durch Kopfsteinpflaster ersetzt werden.

Der wagemutige Künstler erwartet eine lebendigere Gemeinde. Bäume und Blumen töten niemanden, sagt er, Verkehr schon. Fußgänger sind während der Sommermonate schon so zahlreich, dass sie die Straßen teilweise 'übernehmen'.

Choski erhält Unterstützung durch örtliche Geschäftsleute und Politiker, mehr als erwartet. Doch er kämpft leider gegen die Geschichte. Hunderte Einkaufsmeilen wurden in den 60ern und 70ern in Nordamerika eröffnet, doch nur etwa 30 erwiesen sich als lebensfähig. (Die meisten Fehlschläge waren als Fußgängerzonen titulierte Straßen mit vielen Bushaltestellen) Er führt die Stone Street in Lower Manhattan als Modell für das an, was Bedford sein könnte. Diese schmale Straße mit Kopfsteinpflaster wurde von holländischen Siedlern im 17. Jhd. gebaut und Mitte der 1990er Jahre für den Verkehr gesperrt, als sie zu einer beliebten Restaurant- und Einkaufsstraße wurde.

"Car-Free Bedford:
A young artist dreams of a Williamsburg without autos"
New York Press
2007
See also:
Car-Free Bedford


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Stadtentwicklung mit Nahverkehr . . . in Los Angeles?

Stadtentwicklung, die sich am ÖPNV orientiert, gelangt jetzt sogar ins Stadtgebiet von Los Angeles. Der Rat der Vorstadt Tarzana sprach sich für ein Neubaugebiet in Nachbarschaft einer Orange Line U-Bahnstation aus. Tarzana Crossing würde als Nahverkehrs-Dorf, oder städtisches Dorf (wie ich es selbst lieber nenne) ausgewiesen werden - mit Geschäften, Restaurants, Büros und Wohnungen, alles innerhalb eines Radius von 400 Metern um die Station. Es würde eine Fußgängerzone werden, mit Gebäuden bis zu sechs Stockwerken hoch im Zentrum und Geschäften in den Erdgeschossen.

Diese Nahverkehr-orientierte Bebauung ist die Antwort auf die Tatsache, dass die Bevölkerungsdichte in Tarzana und anderer Orte entlang der Orange Line zunehmen wird, ob man es mag oder nicht. (Es ist aberwitzig eine gewaltige Nahverkehrsstruktur aufzubauen ohne sinnvolle Ziele rund um die Bahnhöfe zu errichten; In San Francisco findet sich oft die minderwertigste Möglichkeit um die Bahnhöfe herum: Parkplätze.)

Stadtplaner sind beeindruckt von dem Plan des Stadtrats, und auch von der Bereitschaft der Anwohner, sich auf verdichtete Bebauung und Mischnutzung einzulassen. In der Tat existiert der Wunsch seitens des Bürgermeisters Antonio Villaraigosa und städtischer Beauftragter die Stadt entlang der U-Bahnlinie weiter zu entwickeln. Städtische Beamte haben begriffen, dass die Richtlinien der Bebauung sich ändern müssen um der Landverknappung un der wachsenden Bevölkerung Rechnung zu tragen. Die Koordinatorin für Stadtplanung und -gestaltung, Krista Kline sagte:

Wir müssen höher bauen. Um dies zu erreichen und die Stadt dennoch lebenswert zu erhalten muss sie besser gemacht werden als bisher.

Es müssen Wohngebiete geschaffen werden, in denen die Menschen auch ohne Autos leben können und damit zufrieden sind.

Scott Albright, Stadtplaner in Santa Monica in dem Beirat, sagte:
Menschen wollen sich mit ihrem Wohngebiet identifizieren.

In der Vergangenheit fiel es wohl aus dem Rahmen zu glauben, dass eine nicht am Auto orientierte Nutzung möglich sei. Letztendlich ist dies noch immer das San Fernando-Tal.

Allerdings hat sich die Demographie des Tals eben so geändert wie die Gewohnheiten, Denkmuster und die Bevölkerung.

Vielleicht bricht der Morgen jetzt einmal im Westen an, im Herzen von Amerikas langem Experiment mit autogerechten Städten.

"Tarzana council proposing Orange Line village" [PDF!]
LA Daily News
17 June 2007


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Billigautos für Indien

Der Verkehr auf Indiens verstopften Straßen dürfte bald noch schlimmer werden. Die Autohersteller balgen sich darum, billige, in Indien hergestellte Autos auf den Markt zu bringen, manche für weniger als $2.500. (Ähnliche Kampfpreise zeigen sich bereits in China, das unter den gleichen Verhältnissen leidet.) Momentan gibt es in Indien nur 7 Autos auf 1.000 Einwohner. Sollte diese Rate auf die der Industrieländer steigen wird sich die Zahl der Autos in Indien versiebzigfachen.

Indien könnte bald zum Versuchgelände für Billigautos werden. So wie steigende Einkommen und die billigen kleinen Honda-Motorräder das Land vor Jahrzehnten änderten, könnten steigende Einkommen und billige Wagen es erneut ändern. Der erste Wandel war nicht gänzlich schlecht, trotz verheerender Luftverschmutzung. Die meisten Straßen waren für die Motorräder breit genug und fast eine Milliarde Menschen in Asien kamen zu besserer Mobilität. Dies Mal jedoch gibt es keinen Platz auf den Straßen und Autobahnen mehr.

Indien ist trauriger Rekordhalter mit den meisten Verkehrstoten weltweit. Letztes Jahr erreichte die Rate über 60.000. Zum Teil liegt dies an dem Mischverkehr schneller Motorfahrzeuge mit langsamen Ochsenkarren, Radfahrern und Fußgängern auf den Schnellstraßen. Fernstraßen durchqueren die Zentren von Städten und Dörfern. Selbst teilbeschränkte Schnellstraßen werden zu Todeszonen weil Fußgänger beim Versuch sie zu überqueren angefahren werden.

Es ist eine Tragödie, dass die Eisenbahnen, die Indien über ein Jahrhundert gute Dienste leisteten, heute derart überfüllt sind, so dass der Markt für Autos bereitwillig wächst. Dies wird nicht nur die Unfallhäufigkeit, sondern auch die Todesrate aufgrund der Luftverschmutzung verschlimmern. Dieser Trend muss unbedingt umgekehrt werden.

"India races for the world's cheapest car"
Asia Times
6 July 2007


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Rettung durch Fahrräder

Die Weltgesundheitsorganisation WHO rief zu dringenden Maßnahmen zur CO2-Reduzierung in Asien auf bevor diese die Gesundheit und die Wirtschaft schädigen. Der Klimawandel wird jetzt schon, direkt oder indirekt, für 77.000 Todesfälle jährlich verantwortlich gemacht, hauptsächlich auf Grund von Krankheiten wie Malaria, die durch Stechmücken übertragen werden. Die dramatische Expansion asiatischer Volkswirtschaften dürfte zu stark steigenden Emissionen führen.

Ein UN-Bericht warnte dieses Jahr bereits vor Wasserknappheit und Hunger für Milliarden Menschen weil die Schäden am Weltklima Regenfälle verändern, Stürme verstärken und zu erhöhten Risiken durch Dürren, Fluten und Wasserschäden führen.

Mehr Gebrauch von Fahrrädern, sauberen Energiequellen sowie Steueranreize zur Reduzierung der CO2-Emissionen werden als unabdingbare Schritte bezeichnet. Und weniger - nicht mehr - Autos.

"UN Calls for Pedal Power to Reduce Environmental Damage"
Agence France Presse
2 July 2007


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Fette Kids

In einem vertraulichen, 74-seitigen Entwurf eines Dokuments für das englische Handels- und Industrieministerium steht:
Die Fettleibigkeit unter Kindern muss als Problem angegangen werden, damit der ständig steigenden Gewichtszunahme bei Kindern unter 11 Jahren bis 2010, als Teil einer breiteren Massnahme gegen die Fettleibigkeit der gesamten Gesellschaft, begegnet wird. Bis dato gibt es keine Erkenntnisse, dass der Anstieg der Fettleibigkeit verringert werden konnte.

Erkenntnisse zeigen, dass bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren Jungen dickleibiger sein werden als Mädchen. Bis 2050 wird mit 50 Prozent fettleibigen Jungen und 20 Prozent fettleibigen Mädchen gerechnet.


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Geht draussen spielen

Womöglich dämmert im modernen Leben doch ein wenig Weisheit heran. Die Autorin Dianne Rinehart schrieb kürzlich in der Montreal Gazette:
"Geht draussen spielen."

Gibt es noch Eltern, die ihren Kindern das sagen? In unserer tollen neuen Welt kaum noch, wo Eltern ihre Kinder kaum mehr in umzäunten Hinterhöfen spielen lassen, weil sie fürchten sie könnten entführt werden. Dabei ist das dreimal weniger wahrscheinlich als von einem Blitz getroffen zu werden, und wie wahrscheinlich ist das?

Sie beklagt, dass "ganze Industriezweige bereitstehen" um Gesundheits- und Verhaltensprobleme zu lösen, die dadurch entstehen, dass Kinder nicht unbeaufsichtigt und zwanglos draußen spielen dürfen. Kinder werden fett wenn sie nicht draußen spielen können. Die Fisher-Price-Lösung ist ein Trimmdich-Fahrrad mit Videospielen. Der letzte Schrei im Fernsehen ist eine Trimm-Sendung für Kinder. Sie sagt:" Wenn all dies mehr nach Arbeit als nach Spiel riecht muss man sich nicht wundern wenn Kinder aus dem Leim gehen."

Die pharmazeutische Industrie steht schon bereit. Immer mehr Kinder bekommen Ritalin aufgrund ADS, Antopsychotika und Antidepressiva. Wir wäre es die Kinder einfach draußen herumtoben zu lassen? "Ein Spaziergang kann gegen Depression ebenso wirksam sein wie eine Tablette", sagt sie, "stellen Sie sich vor, was das Spielen im Freien für die Kinder (und für Sie selbst) leisten kann." Schulen haben Spielplätze aus Furcht vor Rechtsstreitigkeiten abgebaut. "Mittlerweile brauchen sie eine Mitgliedschaft im Fitness-Center, draußen "Spielen" ist in Wahrheit "Arbeiten", und es muß Mama und Papa terminlich passen sie dorthin zu fahren."

Es wird sogar noch schlimmer. Kinder lernen nicht kreativ zu denken, wie es das Spiel im Freien fördert. Das Spielen macht aus Kindern selbstbewusste, unabhängige Erwachsene, die ihre Probleme selbst zu lösen gelernt haben. In Watte gepackt wird dies nichts. "Kionder müssen einmal vom Baum fallen, ja, sie müssen einfach ein bisschen gefährlich leben . . damit sie lernen, die Herausforderungen des Lebens zu meistern." Ich habe allerhand Zeit in meiner Kindheit mit dem Bau von Baumhäusern verbracht und dadurch Dinge gelernt, die ich woanders kaum gelernt hätte. Fr. Rinehart schwärmt:

Meine verstorbene Mutter, die nach heutigen Maßstäben eine gewisse "laissez-faire"-Haltung hatte, schickte ihre Kinder einfach raus - ohne irgendwelche Vorgaben oder Regeln. Ihre "Nachlässigkeit" erlaubte uns die völlige Herrschaft nicht nur über das Terrain, sondern auch über unsere Fantasie. Ich rannte durch Wiesen, kletterte Klippen rauf und runter und spielte Entdecker mit meiner Freundin, deren Vater uns in unbekannter Wildnis absetzte, wo wir über Flüsse sprangen, Festungen erbauten und unheimliche Pfade erkundeten.

Offenkundig sieht sogar die Royal Society for the Prevention of Accidents (Gesellschaft zur Verhinderung von Unfällen) mittlerweile die Risiken für überbehütete Kinder und drängt die Eltern zu mehr Risikobereitschaft, damit die Kinder "wertvolle, lebenslange Erfahrungen, besonders mit der Einschätzung mit Risiken, machen, indem sie draußen spielen".

Ironischerweise bringt unsere Angst um die Kinder sie um. Aus Furcht vor Entführungen halten wir sie drinnen und fahren sie überall hin. Das Ergebnis ist, dass dreißig Prozent mittlerweile übergewichtig sind, mit allen daraus resultierenden Folgen, und immer sterben bei Verkehrsunfällen (die Wahrscheinlichkeit steigt mit der Zeit, die man in Autos zubringt), oder weil sie selbst angefahren werden - meist bei Schulen und von Eltern, die selbst ihre Kinder zur Schule fahren. Inzwischen führt der Mangel an Sonnenlicht nicht nur zu Vitamin D-Mangel sondern nach einer neuen Studie, die diese Woche erschien, auch zu vermehrten Fällen von Autismus.
Das ist wirklich ernst. Wir sollten wirklich mal 'Befreien' spielen gehen.

"Canadian kids are out of play:
Overprotective parents pose a much bigger threat to their children's
health and safety than does the risk of abduction by strangers"
The Gazette
20 July 2007


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Schlanke Kinder, per pedes zur Schule

Ein englischer 'think tank' hat die Einrichtung autofreier Zonen um Schulen herum angeregt, damit mehr Kinder zu Fuß zur Schule gehen. Es sollte den Eltern nicht gestattet sein, eine Radius von einer halben Meile um die Schule zu befahren. Auch um Kaufhäuser sollten autofreie Zonen unnötige Fahrten verhindern.

Der Report "Nicht zweckdienlich: Wie Autos den Klimawandel und die Fettleibigkeit fördern", des Institute for European Environmental Policy berichtet, dass mehr Autogebrauch das "Doppelproblem" des Klimawandels und der Fettsucht fördert. In dem Bericht wird behauptet, dass eine Stunde Laufen pro Woche einer Gewichtszunahme von 13kg über 10 Jahre vorbeugen kann.

"Car-free zones around schools 'can beat obesity'"
thisislondon.co.uk
13 August 2007


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Autos: noch giftiger als angenommen

Autoabgase sind noch schädlicher für die Gesundheit als bislang angenommen. Wer im Umkreis von 200 Metern an einer befahrenen Straße lebt hat ein deutlich höheres Risiko an Arterienverkalkung zu erkranken. Bei 50 Metern ist dies Risiko 63 Prozent höher als normal, so Deutsche Wissenschaftler in Circulation.

"Dies betrifft nicht nur Schnellstraßen, sondern auch belebte Straßen innerorts", so Vlemming Cassee, Projektleiter am niederländischen Institut für Gesundheit und Umwelt. "In Amsterdam tragen alle, die an der A10 (eine Ringstraße) leben, ein erhöhtes Risiko, ebenso die Anwohner der Stadhouderskade oder des Overtoom (verkehrsreiche Straßen nahe dem Stadtzentrum)."

Die gesundheitlichen Wirkungen scheinen durch eine kombinierte Wirkung von Feinstaub, SO2, CO und dem Lärmstress zu entstehen, die auch zu Arterienverkalkung beitragen. Die Wissenschaftler fanden kein an sich toxisches Produkt, stellten aber fest, dass die Wirkung mit der Nähe zu starkem Verkehr in Zusammenhang steht.

"Sneller ziek in huis bij snelweg"
Het Parool
23 July 2007


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Böse Neuigkeiten über Lärm

Dauerhafter Lärm tötet viele Menschen vorzeitig durch Herzkrankheiten, die durch den Lärm verursacht werden. Durch Herzkrankheiten starben in England 2006 101.000 Menschen. Eine Studie will herausgefunden haben, dass 3.030 von diesen durch die Einwirkung ständigen Lärms vorzeitig umkamen, einschließlich Verlehrslärm.

Zusätzlich zu der Verbinung zu Herzkrankheiten ermittelte die Noise Environmental Burden on Disease work group, dass 2 Prozent aller Europäer an verkehrsbedingten Schlafstörungen leiden und dass sich 15 Prozent vom Verkehr schwer gestört fühlen. Chronischer Lärm verursacht auch Tinnitus, ein permanentes Klingelgeräusch im Ohr.

Neuere Untersuchungen zeigen wie Lärm die Ausschüttung von Stress-Hormonen im Körper fördert, selbst im Schlaf. Je länger diese Hormone im Körper verbleiben desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen, wie Herzversagen, Schlaganfall, hoher Blutdruck und Probleme des Immunsystems. Auch Menschen, die sich vom Lärm nicht gestört fühlen, leiden an diesen Folgen.

Die Forscher verglichen Haushalte in lauten Umgebungen mit solchen in leiserem Umfeld. WHO-Richtlinien zufolge liegt die Schwelle für kardiovaskuläre Erkrankungen bei nächtens 50 dB, dies entspricht leichtem Verkehr. Schlafstörungen werden schon bei 42 dB vervorgerufen, allgemeine Belästigung gar bei 35 dB.


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Bitte kauft keine Autos mehr

Xu Zongheng, Bürgermeister von Shenzhen, hat seine Bürger gebeten, wegen der ungeheuren Luftverschmutzung und Verkehrsprobleme in dieser großen und schnell wachsenden Stadt keine Autos mehr zu kaufen. Die Zahl der Autos wachse schneller als die Stadt überhaupt neue Straßen bauen könne, so Xu. "Obwohl es nicht in meiner Kompetenz steht bitte ich jedermann keine Autos mehr zu kaufen." Die Zahl der Autos in der Stadt soll dieses Jahr allein um 200.000 steigen. Autoabgase sind zu 70 Prozent an der Luftverschmutzung beteiligt.

"Shenzhen citizens urged to stop buying cars"
Financial Times
7 July 2007


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Ein paar unvermeidliche Todesfälle

"Tod und Verletzungen im Straßenverkehr zählen zu den am wenigsten beachteten Gesundheitsproblemen weltweit", stellte unlängst ein Artikel im The Guardian fest. 1,2 Millionen Menschen sterben jährlich bei Verkehrsunfällen, fast so viele wie an der Malaria. Etwa 50 Millionen werden verletzt. Unfälle sind in armen Ländern weit häufiger, und die Armen sind häufiger Opfer weil sie laufen, radfahren oder in klapprigen Bussen fahren. Kinder, die an Straßen entlang laufen müssen, kommen am häufigsten ums Leben. Was soll man angesichts dieses Blutvergießens tun?

Der wirtschaftliche Schaden, der Entwicklungsländern allein durch verlorengegangene Arbeitsleistung entsteht, entspricht in etwa dem, was sie an Entwicklungshilfe erhalten. Fast die Hälfte der Krankenhausbetten sind von Leuten belegt, die im Straßenverkehr verletzt wurden. Die menschlichen "Kosten" sind unschätzbar.

Das Problem wird sich aber noch weiter verschärfen. Die Weltbank rechnet bis 2020 mit einer Steigerung von 83 Prozent bei den Verkehrstoten in armen Ländern (während in den reichen Nationen mit einem leichten Rückgang gerechnet wird.) Das Hilfsbudget für die Vorsorge und Behandlung der Malaria ist etwa 200 Mal höher das für Straßensicherheit. Der Guardian dazu:

Das Thema hat bislang niemanden interessiert, teils deswegen weil es ein Problem ist, das den Armen durch die Reichen auferlegt wird, und das weithin als der unvermeidliche Preis des weltweiten Business wahrgenommen wird - in dem Maße, in dem sich der weltweite Verkehr ausdehnt, steigen auch die Konsequenzen für Menschen. Die Politik beginnt gerade erst das Problem wahrzunehmen. Doch Unternehmen waren die Ersten:
Die Weltbank initiierte 1999 die Global Road Safety Partnership seitens der Straßenbauindustrie. Alle Beteiligten sollten zusammengebracht werden um das Problem anzugehen. Doch der Vorstand besteht fast nur aus Mitgliedern der Industrie. Die Organisation hat die Notlage von Fußgängern und Radfahrern übersehen. Über Tempolimits durfte schon gleich garnicht nachgedacht werden. Prof. Ian Roberts von der London School of Hygiene and Tropical Medicine bemerkte "Die Straßen wieder Fußgängern und Radfahrern zu überlassen dient nicht den Interessen der Autohersteller."

"Partnership" legt statt dessen Wert auf Fahrertraining und Verkehrserziehung für Kinder. ("Straßen sind kein Spielplatz.") Der Verkehr wird geschützt. Doch Roberts stellt auch fest, dass diese Maßnahmen nicht helfen. Der Guardian fragt:

Ist das die Vision: Straßen, die jetzt Fußgängern, Radfahrern, Ochsenkarren und Rikschas gehören, fallen an die Autofahrer? Und wenn, dann werden dadurch die Verkehrstoten womöglich weniger, doch dies wäre ein klassischer Fall von Enteignung, mit der die Reichen sich den Besitz der Armen sichern.

"A Million Road Deaths Every Year?
It’s Just the Price of Doing Business"
Common Dreams; first published in The Guardian
15 May 2007


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König Kohle hebt wieder sein dreckiges Haupt

Die Kohle-Lobby ist schwer am schuften in Washington. Das Bemühen, so absurd dass es schon wieder komisch ist, geht dahin die Kohle als den "Königsweg unter den alternativen Treibstoffen" aufzuhübschen. Politiker aus Kohle-Staaten wollen Staatsbürgschaften für CTL-Anlagen (Kohleverflüssigung). Für den neuen Treibstoff werden garantierte Mindestpreise vorgeschlagen, zusammen mit einer staatlichen Abnahmeverpflichtung über 25 Jahre. Ein netter Handel.

Big Coal behauptet, dass Treibstoffe aus Kohle irgendwie "amerikanischer" seien als Benzin und grüner als Ethanol. Der Vorsitzende des House Natural Resources Committee, Nick V. Randall, sagte: "Für viele hat das Wort 'Kohle' einen dreckigen Beigeschmack. Doch diese Leute, glauben Sie mir, stecken ihren Kopf in den Sand."

Die vorgeschlagenen Subventionen übersteigen bei weitem die für andere Alternativtreibstoffe, einschliesslich Bio-Ethanol aus Mais (der selbst schon eine Verschwendung von Steuermitteln ist.) Im Gespräch sind Kreditbürgschaften für sechs bis zehn große CTL-Anlagen zu je 3 Milliarden Dollar, ein Steuernachlass von 51 Cents pro Gallone Sprit bis 2020, automatische Staatshilfen falls der Ölpreis unter 40 Dollar fallen sollte und ein Vertrag über 25 Jahre, während der jährlich eine Milliarde Gallonen Flugbenzin an die Air Force geliefert werden soll. Für Kohlebergwerksbesitzer ist das wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Die neuen Anlagen, zusammen 70 Milliarden Dollar teuer, würden lediglich 10 Prozent des US-Spritverbrauchs decken.

Wie üblich werfen Lobbyisten mit Geld um sich. Auf ihrer Liste stehen Gewerkschaften, die Air Force und die Fluggesellschaften. Peabody Energy, das weltgrößte Kohleunternehmen ließ eine Anzeigenkampagne schalten, in der die Leute aufgefordert wurden sich "eine Welt vorzustellen, in der unser Land mit Energie aus der Nähe versorgt wird statt mit Energie aus Nahost."Allen voran marschiert Präsidentschaftskandidat Barack Obama.

Bush rief nach "alternativen", nicht "erneuerbaren" Treibstoffen. Dieser Unterschied entging manchem, doch die Industrie verstand dies als Türöffner für die Kohle. Die Industrie meint, dass Treibstoffe aus Kohle mit Benzin aus Öl konkurrieren kann solange die Ölpreise über 50 Dollar/Barrel liegen (und so lange die saftigen Subventionen weiter fließen.)

Dabei ist Kohle in jeder Hinsicht, ausgenommen die reichen Vorkommen, die schlechteste Energiequelle überhaupt. Pro Energieeinheit entlässt sie die größte Menge CO2, ihre Förderung verursacht maximale Umweltschäden, und sie ist mit maximalen toxischen Stoffen belastet. Die Konversionstechnologien sind lang bekannt und die damit erzeugten Treibstoffprodukte kompatibel mit Treibstoffen aus Mineralöl. Die Konversion hingegen ist ineffizient und erzeugt noch mehr CO2 als wenn die Kohle direkt im Kohlekraftwerk verbrannt würde. Man behauptet, dass das CO2 aus dem Konversionsprozess sequestriert oder in alten Ölfelder deponiert werden könne.

Die Wirtschaftlichkeit des Prozesses ist offenkundig noch nicht erwiesen, was den Ruf nach Subventionen erklärt. Wenn er funktioniert könnten die Kohlegesellschaften Milliarden scheffeln. Wenn nicht, dann wird der Staat Milliarden verlieren, die Industrie hingegen so gut wie garnichts. Die CO2-Sequestrierung ist nach wie vor nicht über das hypothetische Stadium hinausgekommen. Große Mengen der erzeugten Energie würden allein benötigt werden um das CO2 von den Prozessgasen zu trennen oder zu verflüssigen.

Gleichwohl sagt Herzog, leitender Forschungsingenieur am MIT: "Bestenfalls wird jetzt das Kohle-Thema breitgetreten und das Ganze noch schlimmer gemacht. Es läuft jeder CO2-Reduzierung völlig zuwider."

 
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Grüngürtel unter Schutz

Der britische Finanzminister Alistair Darling und die Sozialministerin Hazel Blears befürworten das Bauen in Englands Grüngürteln um der Wohnungsnot zu begegnen. Der Observer schrieb dazu, "ein solcher rückwärtsgewandter Schritt wäre ein Schlag ins Gesicht sowohl für Großbritanniens Landschaft als auch den Werten der Labour-Partei."

J.B. Priestley beklagte 1993 auf einer Reise das, was einst das ländliche England gewesen war:

Dies ist das England der Entlastungs- und Zubringerstraßen, der Tankstellen und Fabriken, die wie Ausstellungsgebäude aussehen, von Großkinos und Tanztempeln und Cafés, Bungalows mit engen Garagen, Cocktailbars, Woolworths, Autobusse .. und alles verhökert für Zigarettenkupons.
Das Vorkriegs-England versuchte die Kalifornisierung des Landes zu stoppen, indem Grüngürtel ausgewiesen wurden, deren meiste bis heute intakt überdauerten. Es entstand eine Bewegung für die Nutzung ländlicher Räume durch die Allgemeinheit. Radfahrer und Pfadfinder eroberten den ländlichen Raum. Der Observer meint:
1935 schlug der Londoner Planungsausschuss die 'Bewahrung einer Reserve an öffentlichen Erholungsgebieten und die Schaffung eines öffentlichen Grüngürtels' vor. Der "Town and Country Planning Act" von 1947 führte die Idee mit einem Londoner Grüngürtel und einer Generation neuer Häuser für die ausgebombte Bevölkerung weiter.

Die Konturen des ländlichen und des städtischen Großbritannien wurden seit 60 Jahren weitgehend durch diese Regelung bestimmt. Doch nun ist sie unter Druck weil Gordon Brown auf neue demografische Entwicklungen und geänderte Lebensweisen reagieren und bis 2020 3 Millionen neue Wohnhäuser schaffen will.

Das Verrückte ist, dass England mit dem enormen Erfolg etlicher Projekte bereits das Potenzial der Stadterneuerung bewiesen hat, mit der städtisches Landesinnere wiedergewonnen wurde. Die Grüngürtel zu bebauen gibt es keinen Grund, anders als die Industriebrachen. Der Observer ruft dazu auf:
In ähnlicher Weise ist die Öko-Stadt ein interessantes Update der Labour'schen Stadtethik. Diese Neubauten sollten einem öffentlichen, nationalen Wettbewerb geöffnet werden: einer unerschrocken modernen Alternative zu Prinz Charles' Poundbury und als Gelegenheit für Archtitekten wie Terry Farrell oder Piers Gough zu zeigen, dass England seine Tradition der Stadtgestaltung noch nicht verloren hat.

Doch die Minister müssen unsere Städte auch lebendig erhalten. Letzte Woche rief die "Town and Country Planning Association" zu einer "vorstädtischen Renaissance" auf und sie haben Recht damit, die Wichtigkeit von Investitionen in unsere bröckelnden Innenstädte zu betonen. Die Bebauungsdichte kann mit gutem Nahverkehr und schönen Grünflächen leicht über vierzig Wohneinheiten pro Hektar hinaus ausgedehnt werden. Und es ist einfach Irrsinn, dass die Mehrwertsteuer bei der Sanierung von Industriebrachen erhoben wird, während Neubebauung von Grünflächen steuerfrei bleibt.

Das Wohnungsproblem durch Überbauung der Grüngürtel lösen zu wollen ist Angsthasen-Politik. Das natürliche und städtische Erbe aufzugeben mag der "Home Builders Federation" Honig ums Maul schmieren, doch es wird aus England kein lebenswerteres Land machen.

Ich erinnere mich an das England von 1965. Ich war beeindruckt von London, einer zauberhaften, lebenswerten Stadt, die mit unvergleichlichen Landschaften außerhalb kontrastierte. Es wäre Sünde, dies Erbe um der Gier einiger weniger Baugesellschaften willen herzugeben.

"The green belt is no place for homes:
Concreting over the countryside would repeat the
mistakes of the 1930s, creating a new suburbia"
Observer
15 July 2007

 
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Leitartikel

Energie im menschlichen Maßstab

J.H. Crawford

Kürzlich zeigte mir eine Diskussion im Carfree Cities Forum wie wenig Vorstellung die meisten davon haben, wie viel Energie sie eigentlich wirklich verbrauchen. Ein Diskussionsteilnehmer meinte ernsthaft, er könne bedeutende Mengen Energie aus dem Regenwasser gewinnen, dass seine Dachtraufe herunterfließt. Sein Beitrag zeigte fehlende Kenntnisse über den Unterschied zwischen Energie und Leistung/Arbeit/Kraft, der normalerweise zum Grundwissen in Physik gehört. Diese Person steht natürlich nicht allein da mit dem Irrglauben, dass Wasser, das einige Meter vom Dach fällt, bedeutende Mengen Energie freisetzt, zumindest im Kontext der Energiemengen, die wir üblicherweise nutzen. Wir wollen daher einige Vergleiche anstellen, die Energie betreffend, die wir verbrauchen und die, die wir selbst erzeugen können.

Wie viel Energie kann man durch Treten eines Fahrrads, an das ein Generator angeschlossen ist, erzeugen? Ein durchschnittlicher Erwachsener in guter Verfassung kann 0,1 PS über die Dauer von 8 Stunden täglich erzeugen. Eine Pferdestärke entspricht 746 Watt, daher kann dieser durchschnittliche Erwachsene 75 Watt erzeugen. Dies entspricht:

75 Watt * 8 Std. = 600 Wattstunden = 0.6 kWh

am Tag.

Pferde können, wenig überraschend, kontinuierlich ein PS erzeugen, was erklärt, warum Menschen so lange Zeit den Pferden die Schwerarbeit überließen, trotz all dem Aufwand für ihre Abrichtung, Ernährung und Unterbringung.

Wenn wir die hergebrachten Energiequellen durch menschliche Kraft ersetzen wollten, was würde dies bedeuten? Der durchschnittliche westliche Haushalt verbraucht kontinuierlich ein Kilowatt elektrischer Leistung (d.h. gemittelt auf den ganzen Tag), oder 24 kWh pro Tag. Um diese Energie zu erzeugen müssten also 40 Radfahrer 8 Stunden täglich in Pedale treten.

Dummerweise ist das nicht die gesamte Energie, die ein Haushalt verbraucht. Fahren zwei Familienmitglieder täglich 30 Meilen in einem Auto, das durchschnittlich 11 Liter auf 100 km verbraucht (das ist in etwa der US-Verbrauchsdurchschnitt), dann verbrauchen sie 0.2175 kWh pro Meile. Das entspricht wiederum 22 Leuten, die einen ganzen Tag lang die Pedale treten müssen.

Dann brauchen wir noch Heizöl. Dies ist schwerer zu schätzen da es von den Jahreszeiten und der Lage abhängt, doch es entspricht in etwa der Menge Treibstoff fürs Autofahren, so dass wir hier nochmals 22 Radfahrer benötigen.

Es wird ein wenig nervig, doch zu unseren 40 + 22 + 22 Pedalrittern müssten wir noch weitere hinzunehmen, die für die Energie sorgen, die in Produkten enthalten ist, die wir kaufen, und die für deren Transport in die Geschäfte aufgewendet wird. Weiter benötigen wir viele Radfahrer für jede Flugreise, die wir unternehmen. Eine vorsichtig konservative Schätzung des täglichen Energieverbrauchs einer Familie mit zwei Erwachsenen entspricht etwa 100 Leuten, die täglich 8 Stunden Pedale treten, jeden Tag. Daran kann man sehen, wie mickrig unsere eigene Energieerzeugungskapazität ist, verglichen mit der Energiemenge, die wir konsumieren. Die Menschen müssen lernen zu verinnerlichen, dass dies schlicht nicht weitergehen kann.

Die Klemme, in der wir sitzen ist umso schlimmer, als Menschen es für völlig normal halten, ein oder zwei Mal in der Woche 35 Liter Sprit in ihren Tank zu füllen. Der Energiegehalt dieses Sprits ist enorm. Am Beginn der Industrialisierung konnten es sich nur die reichsten Leute leisten, solche Unmengen Energie zu verbrauchen. Möglich wurde dies durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, die Jahrmillionen lang heranwuchsen, binnen zwei Jahrhunderten.

Regenwasser, das Ihr Dach herunterfließt wird Sie nicht im Flugzeug nach Disneyworld bringen. Sie werden damit nicht einmal bis zum Flughafen kommen. Tatsächlich kommen Sie damit kaum bis in Ihre Ausfahrt.

Das Leben ändert sich. Gewöhnen Sie sich daran. Und dann lernen Sie es zu genießen. Das ist nicht so schwer. Denken Sie nur an Fahrräder und autofreie Städte.


Briefe

Sehen Sie sich einmal die folgenden Bilder von der Webseite No Impact Man an.

Zuerst die New Yorker Park Avenue - als sie ihren Namen noch zu Recht trug:

Park Ave pre-1922
Dann, die Park Avenue nach der Ausbreitung des Automobils - hässlich, aber irgendwie noch ein menschlicher Ort:
Park Ave post-1922
Zum Schluss - die Park Avenue heute:
Park Ave today
Ich würde gerne zwei Aspekte dieser Veränderungen herausstellen. Der erste liegt auf der Hand: Städtische Straßen können sowohl funktionell als auch schön sein, wie es die Park Avenue vor 1922 war. Autogerechte Straßen sind allerdings keines von beidem.

Der zweite Punkt ist subtiler: Sehen Sie das letzte Bild an: Die "Fußgänger verboten"- und "Fahrräder verboten"-Schilder, die grellgelben Markierungen, die Ampeln, die riesenhaften Verkehrszeichen. Sie sind nicht nur scheußlich, sie sind ausgesprochen unmenschlich. Eine solche Straße entlang zu gehen ist wie das Eindringen in eine fremde Zivilisation - kaum eines der Signale hätte in einer Fußgängerumgebung irgendeine Bedeutung

Diese Lichter und Tafeln dienen nicht menschlichen, sondern mechanischen Zwecken - sie dienen ausschließlich der Aufgabe, große Mengen rollenden Stahls ohne all zu viele Zusammenstöße durcheinander zu bewegen. Moderne Straßen ignorieren Fußgänger nicht einfach nur oder schaffen es nicht ihnen nützlich zu sein. Sie setzen Fußgänger nicht nur einem Risiko aus. Eher zwingen sie Fußgänger dazu, oft mit juristischen Mitteln, sich wie Autos zu verhalten.

In einer humanen Straßenlandschaft nehmen Fußgänger den kürzesten Weg von einem Punkt zum nächsten wenn sie in Eile sind, gehen aber im Kreis und zerstreut wenn Zeit ist. Fußgänger gehen mal schnell, mal langsamer, oder bleiben überhaupt stehen, wie die Zwecke es erfordern - nicht nach irgendwelchen mechanischen Zeitvorgaben.

Auf den Straßen von heute allerdings müssen Fußgänger lange Strecken laufen, die Blöcke entlang, dürfen nur an Straßenecken abbiegen, nur an Kreuzungen die Straße überqueren, müssen an Ampeln warten, den Verkehrsfluß vorhersehen, einem ganzen dicken Buch von Vorschriften folgen und generell alle Vorteile des Gehens aufgeben: Sie verwandeln sich in sehr langsame, verwundbare Autos.

Betrachten Sie die Umgebung: die Hässlichkeit der Parkuhren, Parkschilder, die großen Reklameflächen, die raserfreundlichen Ladenschilder, blinkende Lichter, die grellgelben Linien und all dieser Schutt, mit dem der Verkehr gelenkt wird. Dies alles erlegt jedem Menschen mentale Kosten auf, nutzt aber nur Autofahrern, oder vielmehr ihren Autos (Autofahrer leiden ja selbst unter so etwas.)

Fußgänger müssen diese visuell überladene Umgebung ertragen, müssen die Schilder lesen, den Ampeln gehorchen, sich vor Risiken in Acht nehmen, auf Alarmsirenen hören, und so weiter, genau wie Autofahrer es tun. Anstatt genußvoll zu laufen wie man möchte muss man sich innerlich ein Autofahrer sein, nicht ein gehender Mensch.

Ein Autofahrer ist halb blind, dreiviertel taub und überhaupt völlig abgeschnitten von Gerüchen, Tastsinn und kinesthetischem Bewusstsein - und auf einer typischen Straße, geblendet von Lichtern, betäubt vom Verkehrslärm, vergiftet von Abgasen, gelähmt durch enge Gehsteige und Fußgängerampeln, ist ein sogenannte "Fußgänger" in nahezu gleicher Weise aller sensorischen Fähigkeiten beraubt. Auf solchen Straßen ist niemand mehr Fußgänger, sondern jeder ist ein Autofahrer.

Leute, die die Vision der Autofreiheit verhöhnen treffen scheinbar eine unndinnige und verschwenderische Entscheidung: eher zu fahren als zu laufen. Doch das stimmt nicht; die heutigen Straßen lassen ihnen nur keine Wahl mehr. Die Menschen haben nur mehr die Wahl, mit oder ohne Auto autozufahren. Sie kennen die Erfahrung, auf städtischen Straßen zu Fuß zu gehen, gar nicht. Sie kennen nur das fahren ohne Auto - allen Einschränkungen und Nachteilen des städtischen Autoverkehrs unterworfen, ohne irgendwelche Vorzüge des Laufens genießen zu können.

Wie man dies Problem löst weiß ich nicht, doch es ist ein grundsätzliches. Wir versuchen, Menschen das Laufen ans Herz zu legen, die nie die Erfahrung gemacht haben, durch eine Stadt zu gehen, doch meinen sie hätten diese. So lange sie zu Fuß gehen mit fahren-ohne-Auto gleichsetzen sind wir zum scheitern verurteilt. *

Autofreie Tage sind ein offensichtlicher Anfang, ebenso autofreie Zonen, und ebenso sind dies Geschwindkeitsbeschränkungen auf Schrittgeschwindigkeit, Mittelinseln, erhöhte Fußgängerüberwege und vieles andere, an sich denken lässt. Doch erst wenn wir Fußgänger wirklich wieder als Fußgänger leben lassen damit sie am eigenen Leibe die befreiende Wirkung des Laufens in der Stadt erfahren können werden sie aus ihren Autos heraus kommen.

Gedanken dazu?

* ebenso Fahrräder, Straßenbahnen, Züge, Busse - alle miteinander an den Rand gedrängt um Platz für die Autos zu schaffen.

Dominic Brown


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