Carfree Times

      Ausgabe 50

20. Mai 2008     
 
Venedig
Aqua Alta, Venedig
©2001 J.Crawford

Bekanntmachungen

Runder Geburtstag

Dies ist die 50. Ausgabe der Carfree Times. Zu diesem Anlass werden wir .. nichts Besonderes tun. Die Korken sollen knallen wenn wir die erste autofreie Stadt einweihen dürfen. Das wird ein Grund zum Feiern sein.

Carfree Design Manual

Der Verlag möchte das Buch nun in Farbe. Das hatte ich nicht erwartet, aber wer bin ich, mich dem zu widersetzen? Die letzten Textabschnitte sind beim Lektorat. Das Buch sollte Ende Sommer oder im Herbst in Druck gehen.

Carfree Cities Availability

Sowohl die Paperback- als auch die gebundene Ausgabe von Carfree Cities sind weithin erhältlich. Die Hardcover-Ausgabe ist nahezu ausverkauft, also schlagen Sie zu so lange es noch welche gibt!

Unterstützung von Carfree.com

Carfree Friends (Niederlande) zahlten für Februar und März. Tour d'Afrique Ltd. zahlte für April and Mai.

Die Krise ist nun überstanden und ich kann den Server wieder alleine ohne Hilfe von außen betreiben. Ich möchte allen Unterstützen danken, die uns in den veragngenen vier Jahren online gehalten haben. Ihre Namen werden für alle Zeit online bleiben.

   World Carfree Network

Carfree.com unterstützt das World Carfree Network (WCN) durch die Bekanntgabe der wichtigsten Netzwerknachrichten an dieser Stelle. Besuchen Sie die WCN Webseite wenn Sie mehr Infos über Aktivitäten des Netzwerks bekommen wollen.

Towards Carfree Cities VIII (Portland, 16. - 20. Juni 2008)

Die Anmeldung für die Konferenz Towards Carfree Cities VIII hat begonnen. Die Konferenz wird von Shift, einem Mitglied des WKC organisiert. Portland ist führend in Bezug auf neue Ansätze beim Verkehr und hat als erste Großstadt der USA das Wachstum über die Stadtgrenzen hinaus begrenzt. Dies wird eine herausragende Konferenz werden. Ich habe vor teilzunehmen. Einige der Veranstaltungen werden live verfügbar sein sofern Sie Flash installiert haben.

Föderung des WCN

Es gibt keinen bessere Zeitpunkt das WCN und das International Coordination Centre (ICC) in Prag zu unterstützen als jetzt. Die Mitgliedschaft kann auf verschiedenen Stufen erlangt werden, auch Spenden sind willkommen. Siehe www.worldcarfree.net/join/.

Carfree.com: Nutzt es!

Es ist an der Zeit, alle Aktiven in der autofreien Bewegung an zwei Dinge zu erinnern:
1) Bei carfree.com steht eine gewaltige Bilder-Bibliothek, zur Verfügung. Wenn auf unserer Link-Seite ein Link zu Ihrer Seite existiert steht Ihnen die kostenlose Nutzung dieser Bilder frei.
2) Carfree.com erfreut sich eines hohen Rankings bei Google. Ein Link von uns wird die Bekanntheit Ihrer Seite bei den Suchmaschinen steigern. Wenn Sie noch nicht bei uns verlinkt sind, bitte fragen Sie nach. (Wir schätzen gegenseitige Links, aber das ist keine Bedingung.)
 
Obidos, Portugal
Óbidos, Portugal
©2006 J.Crawford

Die besten Fotos der ersten fünfzig Ausgaben

Nach erneuter Durchsicht erscheinen die besten Fotos der ersten elf Jahre verteilt in dieser Ausgabe.

Kurznachrichten

Venedig
Venedig
©2001 J.Crawford

Junge Heldin

Anna Talman ist ein schwieriger Kunde. Besonders angesichts dessen, dass sie erst zehn Jahre alt ist. Sie ist eines von drei Kindern, die in Kanada einen Sunlight Eco-Action Kids Award gewannen. Ihr Anliegen: Autos im Leerlauf.

Sie stammt aus einer autofreien Familie. Letztes Jahr startete sie Eco-Air und die Bewegung gewann an sieben weiteren Schulen in der Nähe schnell an Bedeutung. Die Bewegung verlangt einen Anti-Leerlauf-Erlass, mit dem Autofahrer davon abgebracht werden sollen, in der Nähe von Schulen mit laufendem Motor zu warten.

Wir hinterlassen unseren Kindern ein schlimmes Erbe. Es ist schön zu sehen, dass sie sich schon so frühzeitig darum bemühen, es abzutragen. Vielleicht könnten auch wir unseren Teil beitragen.

"Young anti-idling crusader wins green award"
Edmonton Journal
9 April 2008

Venedig
Venedig
©2001 J.Crawford

Teurer Sprit drückt Hauspreise in den Vorstädten

Wie wär's mit einem "McMansion"? Keine gute Idee. Aber sie sind wirklich billig. Und womöglich werden sie noch billiger. Die Immobilienpreise haben wahrscheinlich noch lange nicht die Talsohle erreicht (ein erschreckender Gedanke), doch einige Viertel halten ihren Wert. Und es ist nicht überraschend, welche. Es sind die, die nicht 60 km vom Arbeitsplatz weg liegen.

Die hohen Spritpreise haben endlich das Ende der Zersiedelung eingeläutet. Beispielsweise in Washington, DC. Dort fielen die Hauspreise im vergangenen Jahr um 11 Prozent. Doch in Ashburn, etwa 60 km vom Stadtzentrum entfernt, fielen sie um 18 Prozent. Neubauten gibt es in dieser Gegend gar keine mehr. Doch es ist noch schlimmer als diese Zahlen vermuten lassen. Ziegelhäuser, die einstmals für $550,000 den Besitzer wechselten, erreichen jetzt nur noch Spitzenwerte von etwa $350,000. Die Hälfte der Häuser in diesen Wohngebieten hat die Zwangsversteigerung bereits hinter sich oder wartet darauf. Eine Auktion in den Vorstädten von Maryland fand neulich kaum Käufer, die weit vom Stadtzentrum entfernt wohnen.

In der Nähe des Stadtzentrums kaufen die Menschen weiter und neue Angebote finden viel Interesse. In der Innenstadt stiegen die Preise reell um 3,5 Prozent. Den Käufern ist der Zugang zum ÖPNV besonders wichtig.

In einfachen Worten, je länger der Weg zur Arbeit, desto stärker der Preisverfall.

Venedig
Venedig
©2005 J.Crawford

Die Heilige-Kuh-Steuer

Autofahrer im Stadtgebiet von Los Angeles werden bald mehr für ihre Fahrten bezahlen müssen. Viel wäre es nicht - entweder neun Cents Aufschlag auf die Gallone Sprit oder 90 Dollar/Jahr. Bemerkenswert ist, dass diese "drakonische" Maßnahme in Los Angeles ausgedacht wurde, der Stadt, von der aus das Auto seinen "Siegeszug" durch die amerikanischen Städte antrat. Die Details sind komplex und eventuell nicht für alle Leser von Interesse. Doch es markiert wahrlich das Ende einer Ära.

"Driver fee would help fight warming
L.A. County motorists would pay at pump or on vehicle registration"
LA Times
1 April 2008

Obidos, Portugal
Óbidos, Portugal
©2006 J.Crawford

Genug Autos!

Der Verband der Gemeinden in Quebec (Montréal ist kein Mitglied) macht jetzt ernst mit dem Auto-Problem. Ein neues Dokument zeichnet ein düsteres Bild betreffend der Rolle des Autos und schlägt Verfahren zu seiner Zurückdrängung vor, die sich anderswo bereits bewährt haben. Die Länge der Passagierkilometer in KFZ hat sich in 22 Jahren glatt verdoppelt. "Die Städte ersticken". Ziel ist die "Entwicklung einer neuen Mobilitäts- und Verkehrskultur" und die "Verringerung der Abhängigkeit vom Auto" in der Provinz.

Neue Ansätze sind Maximalgrößen für Supermärkte, Verpflichtung der Geschäftswelt sich an den Kosten für den Öffentlichen Nahverkehr zu beteiligen, Vorrang für den ÖPNV, eine City-Maut, Reduzierung von Parkraum, Verengung von Straße und neue Fußgängerzonen. Die Absicht ist, die Vorherrschaft des Autos auf städtischen Straßen zu brechen.

Wenngleich der Bericht behauptet, es sei "undenkbar und nicht wünschenswert das Auto abzuschaffen", so wird es darin doch als "Verkehrsmittel, das in bestimmte Umgebungen passt, aber nicht in allen" bezeichnet. Der Öffentliche Nahverkehr und die Neugestaltung der Städte werden als wichtigste Punkte zur Erreichung dieses Ziels angesehen. In dem Papier werden Politiker dazu aufgerufen, die "Bevorzugung des Autos gegenüber anderen Verkehrsträgern" zu beenden und Alternativen anzubieten. Auch die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf Schiene und Wasserstraßen ist vorgesehen.

"Les villes en ont assez de l'automobile"
cyberpresse.ca
24 April 2008

Strasbourg
Strasbourg
©1997 J.Crawford

Verkehrsversuch in der Oberstadt ist ein Erfolg

Die bis Ende des Monats angesetzte versuchsweise Sperrung der Marburger Oberstadt an Samstagen kam bei Geschäftsleuten und Besuchern sehr gut an.

Die Zufahrt zur Marburger Oberstadt wird seit drei Monaten ab der Einmündung Untergasse/Hirschberg an Samstagen in der Zeit von 10 bis 14 Uhr für den gesamten Fahrverkehr gesperrt. Die Sperrung, die auf einen Beschluss aus dem Stadtparlament zurückgeht, gilt auch für die Inhaber von Oberstadtplaketten – also Anwohner und Geschäftsleute.

Lediglich Schwerbehinderte mit Parkausweis, Taxen und der Linienbus sind von der Sperrung ausgenommen. Zustimmung gab’s vom Koalitionspartner: „Die Lebensqualität hat sich verbessert. Wir Grünen würden es daher begrüßen, wenn die Sperrzeiten ausgeweitet werden“, sagte Dr. Petra Baumann (Grüne).

"Verkehrsversuch in der Oberstadt ist ein Erfolg"
Oberhessische Presse
14 März 2008

Venedig
Venedig
©2002 J.Crawford

Hoch aufragende Zukunft in Sydney?

Sechs Architekturfirmen gaben eine Ausblick darauf, wie sie das Sydney von Morgen sehen. Die Mehrheit sieht Sydney bis 2050 weg von seinen wuchernden, verstopften Vorstädten, hin zu einer autofreien, nahverkehrsfreundlichen Zukunft kommen. Die Architekten sehen keine andere Möglichkeit den steigenden Emissionen und dem Klimawandel zu begegnen. Ihre Vision basiert leider weitgehend auf Wolkenkratzern.

Ich sehe keine Notwendigkeit für Wolkenkratzer. Die Leute müssen sich klar darüber werden, wie enorm viel Fläche wir frei bekommen wenn wir unsere Verkehrswege auf Schienen unter Tage verlegen. Riesenflächen auf den bisherigen Straßen werden frei, und vierstöckige Gebäude sind in den meisten Umgebungen ausreichend, außer vielleicht in Manhattan oder Hong Kong.

"Vielen Einsendungen gemein ist das radikale Umdenken in Bezug auf unser derzeitiges Verkehrssystem, weg von der Dominanz des privaten Automobils, hin zu kommunalen und nachhaltigen Systemen", sagt der künstlerische Direktor der Ausstellung.

"Sydney 2050: high-rise and car-free"
The Age
19 March 2008

Parma
Parma
©1998 J.Crawford

Die City-Maut in New York sitzt fest. Was nun?

Die gesetzgebende Versammlung des Staates New York hat den Maut-Vorschlag des New Yorker Bürgermeisters Bloomberg erst einmal ausgebremst. (Warum steht eigentlich denen die Entscheidung darüber zu?). Verkehrsplaner mühen sich nun Lösungen etwa aus Paris zu übernehmen, wo Bürgermeister Bertrand Delanoë 2001 ins Amt gewählt wurde. Sein Wahlkampf beinhaltete damals das Versprechen von "mehr Raum für Menschen" und den "Kampf mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die schädliche, immer wachsende und unakzeptable Vorherrschaft des Automobils." (Starke Worte, ohne Frage!)

Auf ihn geht das enorm erfolgreiche Projekt "Paris Plage" zurück, bei dem eine Autobahn entlang der Seine während der Sommermonate in einen Strand verwandelt wurde. Dieser Strand zieht mittlerweile als festes Event jährlich 4 Millionen Besucher an. Delanoë schaffte das Parken an den Straßenrändern zugunsten neuer Busspuren ab, auf denen die Abfahrtszeiten der Busse in Echtzeit angezeigt werden. Autos dürfen den Verkehr auf diesen Busspuren nicht behindern. Auch Fahrräder erhielten eigene Spuren. Im letzten Sommer wurde in Paris ein öffentlicher Fahrradverleih eingeführt.

Paul Steely White von "Transportation Alternatives" sagt: "Es geht einzig darum, den Autos Platz auf den Straßen wegzunehmen und ihn nützlicheren Verkehrsarten zur Verfügung zu stellen." Mehr Radwege sind in Arbeit. reservierte Busspuren könnten eingeführt werden. Sogar einige autofreie Straßen werden seitens der Stadt angedacht, trotz heftigen Widerstands in einigen Fällen.

Das Beste aber ist: Die staatliche Gesetzgebung New Yorks, die alles nur verwässert, die konservativ und gegen die City New York eingestellt ist, hat keine Befugnis diesen Plänen entgegenzutreten. Also dann!

"If We Can’t Be London. . .
Après congestion pricing, traffic types fixate on Paris"
New York Magazine
13 April 2008

Venedig
Venedig
©2005 J.Crawford

Pendler kommen voran

Weshalb fahren New Yorker mit dem Auto zur Arbeit? Gemessen am US-Standard ist der ÖPNV in New York einzigartig. Selbst verglichen mit Schweizer Verhältnissen schneidet er nicht schlecht ab. Man kommt fast überall hin, fast rund um die Uhr, und viele Wege sind schneller zurückgelegt als mit dem Wagen. Ungeachtet dessen fahren geschätzt 810.000 Autos täglich nach Midtown Manhattan. Autofahren ist sehr teuer, der Verkehr ist furchtbar, Parken ist schwierig, teuer oder beides. Was also hält die Leute in ihren Autos?

Es ist eine Mischung aus vielem. Eltern mit kleinen Kindern finden das Auto viel praktischer. (Die langen Treppen in die U-Bahnhöfe sind ein bedeutendes Hindernis für Kinderwagen.) Man kann seine Musik hören, so laut wie man will. Es gibt keine überfüllten Bahnsteige oder langen Wartezeiten an Bushaltestellen in der Kälte. Man hat einen Sitz sicher (und sogar einen aus Plüsch, wenn man das entsprechende Auto hat.)

Trotz 1.74 Mio. registrierten Autos in der Stadt nutzen die meisten New Yorker öffentliche Verkehrsmittel. Hardcore-Autofahrer werden sich allerdings schwerlich aus ihren Fahrzeugen locken lassen. Etwa 80 Prozent derjenigen, die mit dem Auto nach Manhattan fahren, haben Zugang zum ÖPNV und würden im Schnitt nur 15 Minuten länger für die Fahrt benötigen. Eine Umfrage im Auftrag der Partnership for New York City (die die City-Maut unterstützt) ergab, dass die Mehrheit Auto fährt weil sie dies will, nicht weil sie dies müsste. Fazit: Der einzige Weg, die Autokilometer zu begrenzen ist durch eine hohe Gebühr.

Und es gab noch ein Ergebnis, ein reichlich erschreckendes: Viele Menschen gaben an, sie führen Auto, um "nicht mit anderen Menschen zusammensein zu müssen." Wenn Bürger eine Phobie gegenüber ihren Mitbürgern entwickeln ist die Zivilisation wirklich in Gefahr.

Es gibt zweierlei daraus zu lernen. Das ÖPNV-Angebot muss überragend sein um Menschen aus ihren Autos zu locken (es sei denn die Betriebskosten des eigenen Wagens steigen exorbitant). Wir wissen wie dies geschehen könnte. Das Problem ist, dass der ÖPNV in der englischsprachigen Welt weithin als Dienst an denjenigen angesehen wird, die sich Besseres nicht leisten können. Diese Mentalität müssen wir ändern. Das wird nicht einfach. Und wir sollten herausfinden, weshalb so viele Amerikaner ihre Mitbürger nicht mögen.

Lagos, Portugal
Lagos, Portugal
©2005 J.Crawford

Artensterben in globalem Ausmaß

Eine neue Untersuchung zeigt die weitreichenden Einflüsse der globalen Erwärmung auf die Tierwelt. Das Problem existiert jetzt. Mindestens 90 Prozent der Umweltschäden und des Aussterbens von Arten könne durch die menschengemachte Erwärmung erklärt werden.

Arktische Pinguin-Populationen gehen zurück, afrikanische Seen haben weniger Fische, der Verlauf amerikanischer Flüsse ändert sich, Pflanzen blühen früher und die Wege europäischer Zugvögel verlaufen anders als früher.

Zum ersten Mal wurde der Klimawandel formell in Verbindung mit den dramatischen Änderungen in der weltweiten Flora und Fauna gebracht.

Die Studie in Nature, analysiert Berichte zur Populations- und Verhaltensänderung von 28.800 Tier- und Pflanzenarten. Weitergehende Berichte über andere Umwelteinflüsse wurden ebenfalls einbezogen. Die natürliche Varianz wurde berücksichtigt, um den Einfluss des Klimawandels abzuschätzen. In 90 Prozent der Fälle konnten die beobachteten Veränderungen nur mit dem Klimawandel erklärt werden.

"Wir bekommen eine Ahnung davon, dass der Klimawandel bereits jetzt die Art und Weise ändert, in der die Welt funktionert", sagt die Hauptautorin Cynthia Rosenzweig vom NASA Goddard Institute. "Wenn sie sich auf einer Weltkarte ansehen wo diese Veränderungen überall stattfinden, und wieviel Arten und Biosysteme bereits jetzt, bei einem Temperaturanstieg von nur 0,6 Grad reagieren, erhöht dies unsere Sorge um die Zukunft", sagte sie. Die größte Sorge machen "Kipp-Effekte", wie schmelzendes Antarktiseis, das die Krillbestände um 85 Prozent hat zurückgehen lassen. Der Bestand an Kaiserpinguinen, die sich von Krill ernähren, ging in einem einzigen warmen Winter um 50 Prozent zurück.

Wärmeres Wetter lässt in Europa die Bäume früher ausschlagen, wodurch blätterfressende Raupen sich früher entwickeln. Blaumeisen, die sich von Raupen ernähren, haben sich angepasst und brüten nun zwei Wochen früher.

Lisbon
Lisbon
©2002 J.Crawford

Luftverschmutzung beeinträchtigt die Hirnfunktion

Nanopartikel aus Verbrennungsmotoren werden inzwischen negativ mit Einflüssen auf die Hirnfunktion in Verbindung gebracht. Nachdem sie inhaliert wurden bahnen sich diese Kleinstpartikel den Weg in unser Gehirn und beeinflussen dort unser Denken. Ein Team holländischer Forscher an der Zuyd Universiteit untersuchte Freiwillige, die entweder in einem Raum mit sauberer Luft, oder einem mit Dieselabgasen eine Stunde zubrachten. Ihre Gehirne wurden während und nach dem Test mit EEG beobachtet.

Die Gehirne der Probanden, die den Nanopartikeln ausgesetzt waren, zeigten Stressreaktionen, die auch nach Ende der Belastung durch Abgase anhielt. Es gab eindeutige Anzeichen für Änderungen an der Hirnfunktion.

Eine Studie an Hunden ergab, dass bei denen, die im hochgradig belasteten Mexico City lebten, Hirnschäden ähnlich der von Alzheimer-Patienten vorkamen. Hunde aus wenig belasteten Gebieten zeigten solche Schäden in weit geringerem Maße.

"Pollution 'alters brain function'"
BBC News
11 March 2008

Venedig
Venedig
©2005 J.Crawford

Lärm und Ihr Herz

Der Verkehrslärm verursacht jährlich 50.000 tödliche Herzanfälle unter Europäern. Dazu kommen 200.000 weitere Fälle kardio-vaskulärer Erkrankungen. Diese Untersuchung kommt gerade Recht zu einer Zeit, da die Europäische Kommission gegen einige Mitgliedsstaaten vorzugehen beabsichtigt, die keine Maßnahmen gegen die vor sechs Jahren erlassenen Grenzwerte ergriffen haben. Gesetze über den Lärm durch Reifen wurden jahrelang verzögert, werden aber diesen Sommer erwartet.

Nina Renshaw von Transport & Environment sagt: "Diese Untersuchung zeigt, dass das Fehlen einer einschlägigen Gesetzgebung bei steigendem Verkehrsaufkommen und dem Trend zu immer größeren, stärkeren und lauteren Fahrzeugen eine buchstäblich tödliche Mischung ergibt. Anders als die Luftverschmutzung, der europäische Städte jetzt anfangen zu begegnen, wurde der Lärm jahrzehntelang ignoriert, während das Problem zunahm und die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft anstiegen."

Die Lärmbelastung, seit 30 Jahren ein Anliegen in der EU, ist ständig schlimmer geworden. Die Studie ergab, dass 210 Mio. EU-Bürger dauerhaft 55 dB (dem EU-Höchstwert) oder mehr durch Verkehrslärm ausgesetzt sind, 35 Mio. übermäßigem Lärm durch Schienenverkehr. Die geschätzten Kosten, einschliesslich ärztlichen Behandlungskosten, liegen bei mindestens € 40 Milliarden pro Jahr.

Kinder, die Lärm ausgesetzt sind, leiden besonders unter Konzentrationsschwäche, kurzer Aufmerksamkeitsspanne, Gedächtnisschwäche, Leseschwäche und generellem Schulversagen. Einkommensschwächere sind besonders betroffen weil das Wohnen in ruhigen Gegenden teurer ist.

Die Studie empfiehlt die Reduzierung der Reifengeräusche auf effektiv 71 dB bis 2012, und weitere Reduzierungen bis 2016. Ebenso solle die EU die Verantwortlichkeit für die Begrenzung von Fahrzeuglärm wieder von der UN Economic Commission for Europe an sich ziehen, da diese nicht gehandelt hat.

Auch ein europäischer Lärm-Standard für Straßenbeläge wird empfohlen. Aus eigenem Erleben in Rio Seco/Spanien kann ich bestätigen, dass die besten Beläge ("Flüsterasphalt") deutlich leiser sind als konventionelle Straßenbeläge.

"50,000 heart deaths a year caused by traffic noise"
European Federation for Transport and Environment
28 February 2008

 

Venedig
Venedig
©2005 J.Crawford

Irrsinniger Lärm

Sie finden den Lärm in Ihrer Umgebung schlimm? Dann machen Sie besser einen großen Bogen um Kairo. Diese Stadt, die von 18 Mio. Einwohner wimmelt dürfte die lauteste auf dem Planeten sein. Der Autofahrer dort hat immer eine Hand auf der Hupe, und die drückt er nach unten.

"Wann immer ich mit Leuten rede fragen sie 'weshalb schreist du so?', schreit Salah Abdul Hamid, ein Barbier an der Ecke einer stark befahrenen Straße. Die Geräuschkulisse wird von Menschen erzeugt, die mit Mühe ihren Lebensunterhalt zusammenkratzen, und sich in einer Stadt bemerkbar zu machen versuchen, in der sich viele unsichtbar vorkommen.

Unglaublicher Lärm ist der Hintergrund eines unter Spannung stehenden Ägypten, wo Inflation und mickrige Einkommen zu täglichem Überlebenskampf führen. Streiks und Demonstrationen sind allgegenwärtig. Die Menschen schreien immerzu ohne es zu merken (möglicherweise weil der Lärm sie taub gemacht hat.)

Wissenschaftler am ägyptischen National Research Center bezeichnen die Lebensumstände so als ob man Tag und Nacht mit einem nahebei laufenden Rasenmäher leben müsse. Die durchschnittliche Lärmbelastung zwischen sieben Uhr Morgens und zehn Uhr Abends maßen sie mit 85 Dezibel. Dies entspricht einem Güterzug in 4,6 Metern Entfernung. (Mancherorts ist es freilich noch wesentlich schlimmer, mit Werten über 95 dB, was einem Presslufthammer in nächster Nähe entspricht.)

Lärmbelastung diesen Ausmaßes wie in Kairo schadet dem Körper, erhöht den Blutdruck und führt zu stressbedingten Krankheiten. Sie stört den Schlaf, was die Menschen verwirrt macht, und nicht selten zu Gewalt in dieser ohnehin dicht lebenden Gesellschaft führt. Autohupen sind eine der Hauptursachen.

Ich könnte nie in einem solchen Chaos leben.

"As Cairo gets louder and louder, many simply turn a deaf ear"
International Herald Tribune
14 April 2008

 

Salzburg
Salzburg
©2002 J.Crawford

Interview

Das Auto macht uns total verrückt

Wir legen immer größere Distanzen zurück, um dieselben Bedürfnisse zu befriedigen.

Ein Gespräch mit dem Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher

Martin Hablesreiter and Sonja Stummerer führten kürzlich ein Interview mit einem der führenden Verkehrsexperten, Professor Hermann Knoflacher. Knoflacher lehrt seit mehr als 30 Jahren am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien. Der 67-Jährige wurde durch seine Konzepte für Wien bekannt. Er entwickelte Fußgängerzonen, legte die Straßenbahn auf Trassen und schlug ein Radwegenetz vor.

Q: Lehnen Sie das Auto ab?

HK: Ich lehne das Auto nicht ab. Aber ich bin mir bewusst, was es für unsere Gesellschaft bedeutet.

Q: Fahren Sie selbst Auto?

HK: Ich besitze keines, aber ich fahre hin und wieder auch selbst.

Q: Welchen Einfluss hat denn die Motorisierung auf unsere Gesellschaft?

HK: Einen unglaublichen Einfluss. Das Auto ist wie ein Virus, das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und Wahrnehmung total umkehrt. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.

Q: Wie kam es Ihrer Meinung nach dazu?

HK: Unser Problem ist der aufrechte Gang. Wir benötigen verhältnismäßig viel Muskel- und Steuerungsenergie zur Stabilisierung unseres Körpers. Denken Sie an die Bewegungsschwierigkeiten unter Alkoholeinfluss. Im Auto verbrauchen wir nur ein Sechstel unserer Körperenergie und haben den Eindruck, wahnsinnig schnell und stark zu sein. Das ist eine Komponente. Die andere ist die Vorgabe an die Stadtplanung, das Auto in unmittelbarer Nähe zu allen Aktivitäten unterzubringen. Damit zerstört man den natürlichen Lebensraum, den öffentlichen Verkehr, die Nahversorgung und letztlich auch das soziale Netz, das der Mensch im Laufe von Jahrtausenden aufgebaut hat.

Q: Das Auto macht die Evolution zunichte?

HK: Nein, aber die menschlichen Errungenschaften der letzten Generationen sind durch das Auto zerstört worden.

Q: Bedeutet das Zeitalter des Autos unseren kulturellen Untergang?

HK: Das würde ich so nicht sagen, denn der kulturelle Untergang ist meiner Meinung nach kein wirkliches Problem. Damit bricht ja nur eine sehr späte Evolutionsschicht weg. Viel schlimmer sind die fortlaufenden, strukturellen Zerstörungen, die das Auto anrichtet.

Q: Ist Autofahren eine Sucht?

HK: Auf jeden Fall! Das Auto ergreift vom Menschen Besitz. Der Autofahrer unterscheidet sich ja vom Menschen mehr als jedes Insekt.

Q: Wie meinen Sie das?

HK: Insekten haben mit dem Menschen gemeinsam, dass sie Mobilität mit ihrer eigenen Körperenergie bewältigen. Der Autofahrer muss das nicht. Und es gibt keine Insekten, die aus Bequemlichkeit den Lebensraum ihrer Nachkommen zerstören oder sich so schnell bewegen, dass sie sich dabei selbst töten.

Q: Wie mobil sollte eine Gesellschaft denn Ihrer Meinung nach sein?

HK: Jede Gesellschaft muss mobil sein, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Könnten wir alle unsere Bedürfnisse vor Ort erfüllen, wären wir Pflanzen, keine Menschen. Menschliche Mobilität entsteht immer infolge einer Mangelerscheinung vor Ort.

Q: Warum sind wir auf unsere Mobilität stolz?

HK: Sie sprechen von technischer Mobilität. Auf Mobilität an sich waren wir, historisch gesehen, keineswegs stolz. Im Gegenteil: Mobilität war immer ein Ballast. Sesshaft zu werden bedeutete die Befreiung von der Zwangsmobilität. Man war geistig mobil genug, um zu wissen, wie man Pflanzen züchtet und Tiere domestiziert.

Q: Ist das der Grund, warum Begriffe wie Zigeuner oder Landstreicher Schimpfworte sind?

HK: Ist doch klar: Die Sesshaften haben ihr Territorium erobert und jedem anderen den Zutritt verwehrt. Sesshaftigkeit funktioniert nach dem Prinzip der Exklusivität. Die Nomaden machen den Sesshaften ihre Raumressourcen streitig und werden dafür gehasst.

Q: Sie sind ein Kritiker des Verkehrswesens und zugleich Planer. Wie passt das zusammen?

HK: Am Beginn meiner Karriere entdeckte ich, dass das traditionelle Verkehrswesen auf bloßen Annahmen basiert. Die Folgen für die Gesellschaft oder die Ökologie wurden lange Zeit nicht einmal angedacht. Kein Mensch achtete darauf, ob Lärm- oder Abgasprobleme entstehen, ob Menschen sterben, die Wirtschaft verändert oder Arbeitslosigkeit geschaffen wird. Mein Ziel ist es, die Verkehrsplanung auf wissenschaftliche Grundlagen zu stellen. Unter diesem Aspekt halte ich das Verkehrswesen für eines der spannendsten wissenschaftlichen Gebiete, die es derzeit gibt.

Q: Sie kritisieren die mangelnde Vernetzung der Verkehrsplanung mit anderen Disziplinen.

HK: Ja. Die Kernthesen des Verkehrswesens sind meines Erachtens völlig falsch! Die Idee des Mobilitätswachstums beruht auf einer unvollständigen Betrachtung des Systems. Man nahm an, dass mit zunehmender Motorisierung die Mobilität steigt. Mittlerweile weiß man aber, dass nur die Anzahl der Autofahrten steigt, die Summe der getätigten Wege aber gleich bleibt, weil die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Fußwege gleichzeitig abnehmen. Die zweite falsche Annahme ist jene der Zeitersparnis durch Geschwindigkeitserhöhung. Diese These bildet die Grundlage vieler Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Verkehrsplanung. Tatsächlich gibt es keine Zeiteinsparung durch höhere Geschwindigkeiten. Es steigen nur die Entfernungen bei gleicher Wegzeit.

Q: Wie weist man so etwas nach?

HK: Indem man das menschliche Zeitbudget kritisch betrachtet. Interessanterweise ist die Zeit, die täglich für Mobilität aufgewandt wird, rund um den Globus mehr oder weniger konstant. Allerdings sind die bewältigten Distanzen unterschiedlich. Der Philosoph Ivan Illich hat in den sechziger Jahren nachgewiesen, dass die Energiemenge, die der Mensch in das Auto und die zugehörige Infrastruktur investiert, ausreichen würde, um die gleiche Distanz zu Fuß zurückzulegen – und das in einer wesentlich schöneren und ruhigeren Umgebung. Wir wissen, dass höhere Geschwindigkeiten keine reale Zeitersparnis bringen!

Q: Aber wächst nicht die Mobilität einer Gesellschaft, wenn sie größere Distanzen bewältigt?

HK: Nein. Ganz im Gegenteil. Die zusätzliche Distanz ist ja zwecklos. Der Mensch legt die größeren Entfernungen zurück, um dieselben Bedürfnisse zu befriedigen wie zuvor. Er macht dasselbe wie früher, nur fährt er dafür weiter.

Q: Aber wir erweitern doch unseren Horizont.

HK: Wie soll sich der Horizont erweitern, wenn ich an meiner Umgebung mit 100 Stundenkilometern vorbeirase? Sie engen Ihren Horizont aufgrund der schnellen Bewegung extrem ein!

Q: Man nimmt andere Dinge wahr, wenn man nach Indien in Urlaub fährt statt nach Bayern.

HK: Es kommt nicht darauf an, wohin Sie fahren, sondern was Sie dort entdecken. Auf einem ausgetretenen Touristenpfad in Indien erleben Sie auch nicht mehr als in Bayern. Ganz im Gegenteil können Sie mit Wachsamkeit und Neugier in Bayern Dinge entdecken, die Sie in Indien nicht finden. Geschwindigkeiten, die unsere evolutionär gewachsenen Möglichkeiten überschreiten, übersteigen auch unsere Wahrnehmung. Wir sind den Distanzen, deren Bewältigung wir technisch ermöglicht haben, geistig nicht gewachsen.

Q: Aber wir fühlen uns mächtig.

HK: Selbstverständlich. Mobilität bedeutet immer Macht. Studien belegen übrigens, dass Eltern keine Rücksicht auf ihre eigenen Kinder nehmen, wenn sie zwischen einem Parkplatz vor der Haustür und einer verkehrsberuhigten Zone wählen müssen. Die Bewegungseinschränkung, ja sogar die Todesgefahr für den eigenen Nachwuchs wird bewusst in Kauf genommen, wenn es um einen möglichst nahe gelegenen Parkplatz geht.

Q: Ist Autofahren komplett verrückt?

HK: In Anbetracht der Bedingungen, die sich der Mensch für sein Auto geschaffen hat, ist Autofahren eindeutig die angenehmste Form der Mobilität und daher durchaus rational. Betrachten Sie im Vergleich nur einmal die Bewegungsinfrastruktur der Fußgänger. Gehsteige in ihrer heutigen Form sind doch ein Witz! Früher durfte der Fußgänger die gesamte Straßenfläche beanspruchen – 7000 Jahre lang! Während der letzten 50 Jahre haben wir den Fußgänger an den Rand gedrängt und wundern uns, warum diese Mobilitätsform verschwindet. Wir haben Strukturen gebaut, die die Menschen zum Autofahren zwingen!

Q: Leben wir in einer Diktatur der Autofahrer?

HK: Absolut!

Q: Lässt sich das verändern?

HK: Freilich. Es würde schon genügen, die Parkraumorganisation zu verändern. Wenn Sie auf dem Weg zum Autoabstellplatz bei einer Haltestelle des öffentlichen Verkehrs oder bei einem Geschäft – das sich automatisch ansiedeln würde – vorbeikommen, würde der Autofahrbedarf sinken. Heutzutage quält man die Menschen mit Symptomherumpfuscherei. Man kassiert ein wenig Parkgebühr hier, ein bisschen Maut dort. Das ist total unfair. Zuerst baut man Strukturen, die die Menschen dazu auffordern, das Auto zu benutzen, und dann kassiert man ab. Man muss als Planer Verkehrsgefüge schaffen, die die Menschen vom Zwang zum Autofahren befreien!

Q: Das klingt nach einem konfliktreichen Job.

HK: Seinerzeit hat man mir prophezeit, dass meine Idee, die Kärntnerstraße in Wien zur Fußgängerzone zu machen, ihren wirtschaftlichen Tod bedeuten würde. Später sagte man mir, dass Radfahren für die Wiener vollkommen unattraktiv sei und dass eine Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs durch aufgepflasterte Haltestellen einen Aufstand der Autofahrer auslösen würde. Angeblich war alles unpopulär. Dennoch haben die Wiener diese Ideen angenommen, und die Lebensqualität der Stadt ist im internationalen Ranking gestiegen. Man kann nicht immer nur Wählerwünsche befriedigen. Rauschgiftsüchtigen gibt man ja auch keine steuerfreien Drogen, obwohl dieser Wunsch mit Sicherheit vorhanden wäre.

Q: Lässt sich das Problem Ihrer Meinung nach über den Benzinpreis lösen?

HK: Nein! Jede Benzinpreiserhöhung ist eine rein symptomatische Behandlung und führt automatisch in die soziale Falle. Wenn sich nur Reiche das Benzin leisten können und Arme nicht, bleibt das Verkehrsproblem ungelöst, und eine soziale Ungerechtigkeit kommt hinzu. Man muss beim Parkplatz und beim Weg dorthin ansetzen. Wenn man den Parkraum richtig organisiert, entstehen autofreie Bereiche mit hoher Lebensqualität. Wer ruhig schlafen will, der muss halt weiter zum Auto gehen. Und wer das Auto vorzieht, der muss eben dort wohnen, wo es laut und stinkig ist. Man muss die Autoabstellplätze so organisieren wie die Haltestellen des öffentlichen Verkehrs.

Q: Sie plädieren für mehr Parkverbote?

HK: Da sehen Sie, wie Auto-indoktriniert Sie denken. Wenn dem Fußgänger verboten wird, eine Straße zu überqueren, wo er will, ist das ganz normal. Eine Umordnung der Verkehrszonen in Fußgänger- und Autobereiche wird als Autoverbot verteufelt, ohne darüber nachzudenken, dass diese Trennung den besten Lösungsansatz bietet.

Q: Wie steht es um die viel beschworene Freiheit des Autofahrers?

HK: Das ist eine rein virtuelle Freiheit, die über die Werbung verkauft wird. Gezeigt wird eine leere Landstraße in wunderschöner Umgebung, auf der ein einziges Auto herumsaust. Würde die Realität des Verkehrs mit Staus gezeigt werden, wäre kein Mensch so dumm, ein Auto zu kaufen.

Q: Autos verkaufen sich nach wie vor sehr gut.

HK: Ja, weil Autofahrer auch noch eine andere Art von Freiheit genießen, eine Rechtsfreiheit. Im Gegensatz zu allen anderen Menschen dürfen sie die Umwelt straffrei verlärmen, verunreinigen und die öffentliche Sicherheit gefährden. Ein randalierender Betrunkener wird wegen Lärmbelästigung verhaftet, Autofahrer, die zu allen Tages- und Nachtzeiten unsere Häuser beschallen, werden akzeptiert. Würde ich als Fußgänger mit einer Dose krebserregende Substanzen versprühen, wäre das gesetzeswidrig. Tausende Autofahrer tun das täglich ungehindert und verkürzen die Lebenszeit von uns allen um durchschnittlich zwölf Monate.

Q: Der Autofahrer ist ein Killer?

HK: Ja, aber nicht aus böser Absicht. Das Auto versetzt uns in ein Raum-Zeit-Gefüge der Verantwortungslosigkeit, das wir weder begreifen noch bewältigen können. Und es hat eine starke Lobby: Die Autoindustrie, die Bauindustrie, auch die Banken, die Kredite zum Autokauf vergeben, achten tunlichst darauf, dass derartige Studien wie die gerade erwähnte von der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht veröffentlicht werden.

Q: Schon Teenager träumen von Autos.

HK: Weil sie durch das Mitfahren jahrelange Unfreiheit erfahren haben. Ein Kind wird durch das Auto in seiner Mobilität radikal eingeschränkt. Es darf nicht zur oder über die Straße gehen, darf nicht überall spielen, wird stundenlang in das enge Heck eines Autos gesperrt und auch noch festgeschnallt. Klar, dass Teenager es kaum erwarten können, ihre Freiheit mit dem Führerschein und einem eigenen Auto wiederzuerlangen.

Q: Denken Sie, dass Autos Kriege verursachen?

HK: Hundertprozentig! Und dabei muss man gar nicht in den Irak blicken. Auch bei uns ist permanent Krieg. In Österreich werden jeden Tag auf der Straße zwei Menschen umgebracht. Der Verkehr fügt jedes Jahr 40.000 Menschen physische Schäden zu. Und da sind jene, die laut WHO infolge der Abgase sterben, noch gar nicht eingerechnet.

Q: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie an suburbanen Shoppingcentern, Möbelmärkten und ähnlichen Einrichtungen vorbeifahren?

HK: Das sind Parasiten! Jede Stadt mit solchen Strukturen tut mir leid. Das Verkehrsproblem ist ja unter anderem ein Kind solcher Shoppingcenter und Möbelhäuser am Stadtrand. Das Hauptproblem sind die riesigen Gratisparkplätze. Die müssten so massiv besteuert werden, dass das Parken dort genauso viel kostet wie im Stadtzentrum. Jeder soll bauen dürfen, wo er will, aber es kann doch nicht sein, dass die Geschäftsleute in den Innenstädten mit Parkgebühren kämpfen, während am Stadtrand alles gratis zur Verfügung gestellt wird.

Q: Glauben Sie, dass in zehn Jahren Europas Städte so aussehen werden wie die viel verlachten US-Städte mit ihren ausgedehnten suburbanen Einfamilienhauszonen, riesigen Shoppingcentern und wenigen öffentlichen Verkehrsmitteln?

HK: Nein, denn in Europa findet derzeit in vielen Städten eine Reurbanisierung statt. Das hat auch mit der Überalterung der Bevölkerung zu tun. Alte Menschen können am Stadtrand nicht den Service bekommen wie im Zentrum. Sie müssen einfach in die Stadt zurück. Davon abgesehen, wird die Energiefrage die Menschen dazu zwingen, in die Städte zurückzuziehen.

Q: Sie meinen den Benzinpreis?

HK: Nein, ich meine den Energiepreis im Allgemeinen. Dieser wird sich mit Sicherheit erhöhen und alle Lebensbereiche entscheidend beeinflussen. Das betrifft Heizung, Stromversorgung, Transport – und all das fällt in der Isolierung im Einfamilienhaus am Stadtrand viel mehr ins Gewicht als im Stadtzentrum. Und ältere Menschen benötigen viele energieaufwendige Serviceleistungen, die bei Preiserhöhungen sehr teuer werden. Dabei denke ich nicht nur an »Essen auf Rädern« oder ähnliche Angebote. Je zersiedelter die Menschen wohnen, desto mehr Energie ist erforderlich. Und das werden wir uns bald nicht mehr leisten können. Das heißt, wir müssen schon jetzt nachhaltige städtische Strukturen schaffen, um die Zukunft finanzieren zu können. Denn die jetzigen Städte mit ihren Randsiedlungen sind das definitiv nicht.

Q: Stimmt das Argument, dass die gesellschaftlichen Folgekosten der Mobilisierung höher sind als deren Gewinne, zu denen ja auch die Arbeitsplätze in der Autoindustrie gehören?

HK: Das stimmt absolut. Und die Rechnung wird sich für die Konsumenten noch verschlimmern, denn momentan ist Mobilität ja mehr oder weniger gratis, und das wird sich demnächst stark ändern.

Q: Warum werden in Bezug auf Mobilität und Klimaschutz jetzt plötzlich die Flugreisenden kritisiert und nicht die Autofahrer?

HK: Erstens ist die schädliche Wirkung des Flugverkehrs nicht unerheblich und die Kritik berechtigt. Das liegt auch daran, dass die Billigfluglinien Passagiergruppen aktivieren, die sonst nicht im Flugverkehr anzutreffen wären. Grundsätzlich ist Fliegen die entwürdigendste Art des Transports überhaupt. Fliegen erinnert mich immer an Massentierhaltung: Hühner in einer Legebatterie, die abgefüttert werden. Im Unterschied zu den Menschen im Flugzeug sind die Hühner zumindest nicht angeschnallt.

Faro, Portugal
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Venedig
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