Carfree Times

      Ausgabe 43

12. Juni 2006     
 
Clay maquette
Obidos, Portugal
Befestigte mittelalterliche Stadt
Alle Photographien ©2006 J.Crawford

Ankündigungen

Zehnter Jahrestag

Diesen Frühling beging Carfree.com (einschliesslich seiner Vorläuferseiten) seinen zehnten Jahrestag. Wir hoffen dass die kommenden zehn Jahre ebenso fruchtbar sein werden wie die vergangenen zehn. Der Traffic der Webseite bewegt sich nun oberhalb von 5500 Seitenaufrufen und 400 MB täglich. In den ersten sechs Monaten lag der Traffic unter 200 Seitenaufrufen und 2MB täglich. Autofreie Tage haben sich weltweit von anfänglich Null bis unzählig, sicher aber über 1500 pro Jahr entwickelt. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.

Unterstützung von Carfree.com

Michael Hoag von Village At spendete das Geld, das Carfree.com für fast ein jahr online halten wird, von Juni 2006 bis März 2007. Zwei anonyme Spender zahlten für April und Mai 2007. Bernard Delloye zahlte das hosting für Juni 2007. Dank allen Spendern und ihrer Großzügigkeit. Gehen Sie bitte zur Unterstützungs-Seite wenn Sie einen eigenen Beitrag leisten wollen.

Carfree Times auf Deutsch

Dank der unermüdlichen Arbeit von Ulrich Nehls ist Carfree Times seit September 2003 auch auf Deutsch verfügbar. Das Verzeichnis der deutschen Ausgaben finden Sie unter http://rzsunhome.rrze.uni-erlangen.de/~thze00wm/cft.html. Die deutsche Übersetzung ist meistens einen Monat nach Erscheinen der englischen Originalausgabe verfügbar. Ein Link zur deutschen Ausgabe erscheint auch oben auf der englischen Version sobald diese online ist.

Carfree Design Manual

Der Design-Feldversuch (in dieser Ausgabe) in Letnany/Prague deckte einige Schwächen der von mir in Band 4 des neuen Buchs entwickelten Methoden auf. Ich werde den gesamten Abschnitt überarbeiten um die Erkenntnisse dieses Versuchs einzubringen.

Carfree Cities Verfügbarkeit

Die Paperback- sowie die gebundene Ausgabe von Carfree Cities sind weithin verfügbar. Details auf der Bestellseite.

Danke

Danke an die vielen Unterstützer, die Artikel an Carfree Times weitergeleitet haben. Ich habe aufgehört, Leute einzeln zu nennen, weil ich befüchte den einen oder anderen zu vergessen.

   World Carfree Network

Carfree.com unterstützt das World Carfree Network (WCN) im Allgemeinen und insbesondere durch die Veröffentlichung der wichtigsten Bekanntmachungen des Netzwerks auf seiner Seite. Gehen Sie zur WCN Webseite wenn Sie weitere Infos zu den Aktivitäten des Netzwerks suchen.

Netzwerk-Entwicklungskonferenz in Tabor

Die CESTA in Tabor (Tschechien) war Veranstalter eines Trainings und des Jahrestreffens des WCN Ende Mai. Die Veranstaltung war gut besucht und produktiv. Es ist mir stets eine Freude, Freundschaften in der autofreien Bewegung aufzufrischen.

Towards Carfree Cities Konferenz

In Bogotá wird im September 2006 die Konferenz Towards Carfree Cities V stattfinden, die sechste ihrer Art in Folge, organisiert vom WCN und seinen Vorläufern. Unter dem selben Link finden Sie auch Informationen über die Konferenz 2007 in Istanbul.

Neue Carbusters Magazin Webseite

Das WCN Carbusters Magazine ist mittlerweile online. Die Seite wurde umfassend verbessert und enthält die Texte jeder Ausgabe für etwa drei Monate nach Erscheinen der Papierausgabe.

Quotable

Manchmal frage ich mich ob die Welt von klugen Köpfen beherrscht wird, welche uns auf den Arm nehmen, oder von Idioten, die es wirklich ernst meinen.
Mark Twain
 


 


Ein Spaziergang durch Obidos

Die Bilder, die verteilt über diese Ausgabe erscheinen, wurden kürzlich in der mittelalterlichen befestigten Stadt Obidos, etwa 100 km nördlich von Lissabon, aufgenommen. Diese kleine Stadt, an einem steilen Bergrücken gebaut, wurde aufwändig gepflegt und erhalten. Sie zieht viele Touristen an, die eine wichtige Kundschaft der örtlichen Künstler und Geschäfte sind.

Die Stadt ist nicht vollständig autofrei, doch die wenigen Autos fallen kaum auf. Nur Anwohner dürfen in die Stadt fahren. Der Friede wird nur durch die etwa ein Kilometer entfernte Autobahn gestört.

Ich habe mich mit Obidos beschäftigt seit ich zum ersten Mal vor zehn Jahren dort war. Sie ist ein Musterbeispiel einer Stadt, deren Gestalt sich an den Möglichkeiten und Einschränkungen des Geländes abbildet. Das Ergebnis hat seine eigene innewohnende Logik, wie Sie noch sehen werden. Dies ist, so glaube ich, ein zentrales Prinzip der Stadtgestaltung, das ich im Carfree Design Manual vertrete.


Kurznachrichten


Höhere Verdichtung

Bei MetroWest in Vienna, Virginia, USA, verkauften 64 Eigenheimbesitzer auf 60 Morgen Grund ihre Häuser. Die Anlage wird neugebaut, mit 2250 Wohnungen, 30.000 qm Büro- und etwa 10.000 qm Verkaufsfläche. Das Gelände liegt nahe bei einer U-Bahnstation in Washington, D.C. wodurch eine hervorragende Verkehrsanbindung zur Innenstadt gewährleistet wird.

Die bauliche Verdichtung soll Autofahrten zur Stoßzeit um 47% bzw. 25% für Anwohner und Geschäfte reduzieren. Es wird ein echtes Stadtzentrum mit einem öffentlichen Platz geschaffen, einschließlich Parks. Das Projekt erfreut sich im staugeplagten Washington offenkundig weit reichender Unterstützung.

"When 2250 homes replace 64..."
CoolTown Studios
22 March 2006

 

Der Verslumung begegnen

Jennifer Rowell ist Stadtentwicklerin bei Care International. Sie äusserte kürzlich:
Jede Sekunde zieht ein Mensch auf der Welt in ein Slum. Es wird über die nächsten dreißig Jahre durchschnittlich 100.000 Slumbewohner pro Tag mehr geben. Wir sehen weltweit eine Bewegung von ländlichen Gebieten in Städte...
Zahlreiche dieser neuen Stadtbewohner leben unter entsetzlichen Umständen in einem der vielen Slums, die es weltweit gibt. Luft und Wasser sind meist hochgradig verseucht (und Wasser ist oft knapp). Oft breiten sich diese lockeren Siedlungen gerade angrenzend an teure Wohnsilos aus, in denen kaum bessere Lebensbedingungen herrschen:
Jonathan Watts Artikel über das Wachstum einer Megastadt in China beschreibt einige der erschreckenden Auswirkungen der rapiden Verstädterung. Watts Bericht einer von Menschen wimmelnden Stadt, eingehüllt in verschmutzte Luft und vollgestellt mit Hochhäusern und Einkaufsmeilen, die über Slumhütten hinwegsehen, so als gehörten sie nicht dazu, spiegelt das wider, was ich auf einer Reise in Dhaka, Bangladesh kürzlich sah - und was ich in vielen Städten der Welt gesehen habe, von Luanda bis Mombai und Puerto Suarez in Bolivien.

Und doch gibt es eine tiefere Wirklichkeit, von der Watts nicht redet: In diesen schnell wachsenden Städten wächst die Gruppe der Ärmsten am schnellsten. Der Trend zur Verstädterung ist nicht nur wegen der Zahlen interessant, sondern auch wegen der Unfähigkeit der Regierenden, den Wachstumsraten zu begegnen, und dies hat Auswirkungen auf alle weiteren Lebensumstände der Armen.

In den Slums bestehen Häuser meist aus einem Stockwerk. Die Straßen sind extrem eng und mit Massen von Menschen verstopft, die in kleinen Verschlägen oder sogar auf der Straße selbst leben. Hygiene ist ein Fremdwort und Abfälle häufen sich an. In diesen schrecklichen Umständen erkranken die Menschen. Es gibt fast keine Jobs und man kann jederzeit geräumt werden. Notfalldienste haben in diesem engen Labyrinth kaum Zugang und diese Behausungen, oft aus leicht entflammbarem Material, sind ein Pulverfass.
Durch unsere weltweite Arbeit wissen wir, dass den schwerwiegenden Auswirkungen der rapiden Verstädterung nur dadurch begegnet werden kann, indem die wirtschaftliche Ausgeschlossenheit verarmter Städter gelindert und der politische Wille gestärkt wird, Mittel in die verarmten Gebiete fließen zu lassen.
Autofreie Städte mit nur einigen Stockwerk hohen Häusern könnten natürlich ausreichend Platz für alle und ausreichend breite Straßen für Notdienste bereitstellen. Die Technik ist einfach und es gibt eigentlich keinen Grund, weshalb die notwendigen Arbeiten nicht von den Menschen geleistet werden sollten, die einmal dort leben werden, einschließlich der Einrichtung funktionierender Wasser- und Abwassersysteme. Es müssten die Regierungen lediglich das Geld für einige der Materialien bereitstellen, sowie die Absicht entwickeln, die Lebensbedingungen für Millionen ihrer Bürger zu verbessern, und damit (in jeder Beziehung) das Wohlergehen ihrer Nationen insgesamt.

"The Slums in the World's Teeming Cities Need an Urgent Solution
Rapid urbanization has led to an even more rapid growth in global poverty"
Common Dreams
28 March 2006

 

Prinz Charles kommt in Fahrt

Die Briten haben autogerechte Städte satt. Niemand hat sie so satt wie Prinz Charles. Er erträgt keine Städte mehr, die zum Opfer von Straßenerweiterungen wurden. Ihm hängen all die gleich aussehenden Städte Englands zum Hals heraus.

Prinz Charles' Stiftung "Foundation for the Built Environment" vertritt ein traditionelles Gebäude-Design. Der Stadtrat von Lincoln bat die Stiftung um einen 30-Jahresplan zur Erneuerung der Stadt. Auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit begründet entwickelt dieser Plan zwanzig verschiedene Bauprojekte, die das Beziehungsgeflecht in der Stadt wiederherstellt und lebendige Straßen und öffentliche Plätze schafft.

Es ist wahrhaft organische Stadtplaung, die bessere Fußgängerwege, besseren öffentlichen Nahverkehr und lebendige öffentliche Plätze zum Ziel hat. Auch hilft der Plan, zu einem Gefühl städtischer Identität zurückzufinden.

Hank Dittmar, eine früherer Berater Präsident Clintons, sagte: "Man hat Städte in den letzten vier Jahrzehnten als eine Art Maschine angesehen, in der Menschen hin- und herbewegt werden, vorzugsweise in Autos". Er möchte diesen Trend umkehren und die "typischen, nach innen gerichteten Sechziger-Jahre-Kaufhäuser mit ihren müden Gebäuden", die alle in dem selben, gesichtslosen Stil gebaut sind, loswerden.

Öffentliche Sicherheit ist ein Hauptanliegen. Dies bedeutet die Abkehr von verödeten, menschenleeren Betonplätzen und die Rückbesinnung auf kleinteiliges Design, in dem Menschen sich wohl fühlen. Die meisten Orte hatten einst ihren eigenen Charakter und eine angemessene Größe. Nötig ist lediglich die Rückkehr zu den örtlichen Baustilen und Materialien, die bis in unsere Zeit Zeit verwendet wurden.

Prinz Charles ist seit langem Opfer des Spotts seitens der Architektenschaft, doch seine Ideen haben bei der britischen Bevölkerung ein offenes Ohr gefunden. Dass Lincoln seinen Plan durchführen ließ zeigt, dass seine Ideen sich zu verbreiten beginnen - der Stadtrat ist zuversichtlich dass die Öffentlichkeit ihn unterstützt und dass sich private Geldgeber finden werden. Er sagte kürzlich, die Städter "verstünden instinktiv, dass wir fußgängerfreundliche, lebenswerte, ansprechende und schöne Stadtgegenden" brauchen wo man nicht zwei Liter Sprit aufwenden muss um einen Liter Milch zu kaufen.

"Blue prince for cities"
BBC News Magazine
4 May 2006

 

Selbst Autonarren sind beeindruckt

Die britische Zeitung The Telegraph brachte kürzlich einen Artikel mit dem Titel: "Neue, autofreie Siedlungen setzen sich mehr und mehr durch. Sogar Autonarr Oliver Bennett ist beeindruckt." Nun bin ich dran, beeindruckt zu sein. Der Artikel enthält unter anderem:
Eine neue Generation von Hausbesitzern wird aus ihren Autos gelockt. Es ist ein schnellwachsender Trend. Es gibt bereits etliche Neubauten - meist städtische - die darauf abzielen, den Autogebrauch unter ihren Bewohnern zu reduzieren, wenn nicht ganz zu unterbinden. Philip Igoe von der Initiative Carplus, einem Infocenter für Autoclubs und Carsharing, sagte, dass Bauträger dies als den Schlüssel zur Planung ansehen. "Wohnsiedlungen brauchen Verkehrsverbindungen und erhalten die Genehmigungen eher, je weniger Parkplätze darin enthalten sind", sagte er. "Dies ist inbesondere in Stadtzentren und bei Bebauung am Wasser der Fall".
Ist das nicht interessant! Tatsächlich hat der Londoner Bezirk Camden etwa 400 Baugenehmigungen unter der Auflage erteilt, dass "für die Bewohner keine Anwohnerparkplätze verfügbar sein dürfen". Die Genehmigung umfasst etwa 3.500 Wohneinheiten.

Wilf Parsons von Car Free Developments sagt, dass Autos in beeindruckender Zahl entfernt werden. "Es handelt sich um Abschnitt 106 der Genehmigungsordnung", in Bezug auf die Baugenehmigungsvorschriften, der bei einer Baugenehmigung die Einschränkung machen kann dass Autos nicht zugelassen sind. "Sie setzen sich überall durch, von Brighton, Bristol und Portsmouth bis Edinburgh und Leeds." Einige Projekte mit Kosten bis zu £400,000 (etwa 580.000 €) eingeschlossen. Bei den meisten Vorhaben ist Carsharing vorgesehen, so dass viele der Bewohner doch gelegentlich Gebrauch von einem Auto machen können.

Abschnitt 106 wird vom Verkehrsministerium unterstützt, das fordert, dass "Planvorhaben mit erheblichen Auswirkungen auf den Verkehr von einem Verkehrsplan begleitet sein sollten. Dies betrifft Wohngebiete ebenso wie gewerbliche Vorhaben und schließt alle genehmigungspflichtige Bautätigkeit ein."

Igoe behauptet, er werde mit Anrufen von örtlichen Behörden und Stadtplanern, die den Autoverkehr reduzieren möchten, "überhäuft". Das Achtziger-Jahre-Geschäftsgrundstück mit den doppelten Parkplätzen wird als überkommen und nicht nachhaltig angesehen. Und die Leute scheinen ihre Autos lange nicht so sehr zu vermissen wie erwartet. Die Schlussfolgerung:

Man kann sich fragen, ob das Auto in der Stadt der Zukunft überhaupt noch erlaubt sein wird. Es gibt kaum mehr Stadtplaner, die den Autogebrauch befürworten. Eine der einflussreichsten Planungsrichtungen, der "New Urbanism", richtet sich darauf, das Wesen städtischer und vorstädtischer Gemeinschaft neu zu definieren, mit der Autofreiheit als eine seiner Grundsäulen: Das bessere Mittel gegen Fettleibigkeit, kleine Gechäfte, die auf Autos angewiesen sind, zu Geschäftskomplexen an Ringstraßen zu ziehen - bis hin zu nachbarschaftlicher Verbrüderung. Es ist alles Teil eines neuen social engineering.
Ich habe hier zum ersten Mal überhaupt davon gehört, dass die Autofreiheit eine der Säulen des New Urbanism sei, doch wenn die New Urbanists von wenig Autos auf autofrei umgeschwenkt sind soll es mir nur Recht sein.

"The fond farewells to four wheels
New, car-free developments are catching on fast.
Even petrolhead Oliver Bennett is impressed"
Telegraph.co.uk
25 March 2006

 

Bringen Autos den Planeten um?

Die Debatte des Economist beim diesjährigen Hay Festival ging um die Frage "Bringen Autos den Planeten um?". Jeremy Leggett sagt ja, sie tun es. Die Kohlearithmetik erlaubt keinen anderen Schluss:
Wir haben den globalen Thermostaten seit der vorindustriellen Zeit bereits um 0,8 Grad nach oben gedreht. Die EU hat sich darauf verständigt, keine höhere Erwärmung zuzulassen als 2 Grad. In anderen Worten: Es sind noch 1,2 Grad übrig. Eine gewisse Chance unter 2 Grad zu bleiben bedeutet, dass wir uns noch die Verbrennung von maximal 400 Milliarden Tonnen fossiler Brennstoffe "leisten" können, womöglich wesentlich weniger.
Es gibt aber noch etwa 700 Gigatonnen fossiler Brennstoffe in den Ölreserven und in leicht zugänglichem unkonventionellem Öl. Es gibt noch mindestens 500 Gt an gewinnbarem Gas und gigantische 3.500 Gt Kohle. Wir haben also zehn Mal so viel Kohlenstoff in unserer Selbstmordmaschinerie wie zur tödlichen Dosis nötig ist.

Welche Alternativen gibt es?

Die erste gilt Amerika, wo 20 der weltweit täglich geförderten 84 Millionen Barrel verbraucht werden. Von diesen 20 werden 12 importiert, fünf davon vom persischen Golf. In einer neue Studie, von niemand anderem mitgefördert als vom Pentagon, stellte eine Gruppe amerikanischer Energiespar-Gurus fest, dass alles jetzt von Amerika konsumierte Öl mit weniger Kapitalaufwand ersetzt werden könne als derzeit für seinen Kauf ausgegeben wird [Lesen Sie das noch einmal!]. Um den Ölverbrauch durch billigere Alternativen zu ersetzen müssten die USA im nächsten Jahrzehnt 180 Milliarden US-$ investieren, was zu Einsparungen von jährlich 130 Milliarden bis 2025 führe. Es gäbe vier Schritte in Richtung dieser machbaren Utopie:
Nach Leggett müssten die USA:
  • Öl doppelt so effektiv einsetzen wie bisher [einfach!]
  • Bio-Treibstoffe anstelle von fossilen Treibstoffen [unmöglich!]
  • Erdgas einsparen [einfach!]
  • Wasserstoff als Treibstoff einführen (optional) [unmöglich bzw. nicht ratsam]
Legetts zweite Alternative ist die ökologische Utopie, die von Schweden in Angriff genommen wird. (Im Februar beschloss die schwedische Regierung, das Land zur ersten ölunabhängigen Wirtschaft zu machen, und das innerhalb 15 Jahren.) Erneuerbare Energie trägt aktuell zu 26% zur Versorgung Schwedens bei. Der Anteil des Öls ist von 77% 1970 bis 32% heute gefallen. Schwedens Pläne basieren auf Bioalkohol aus den riesigen schwedischen Wäldern.

Legget stellt daher fest, dass wir den Ölverbrauch drastisch senken könnten wenn wir nur wollten. Am interessantesten ist allerdings, dass Emissionen stark mit der bebauten Umgebung zusammen hängen.

Gebäude und Autos haben, die Gestaltung betreffend, miteinander zu tun. Heutzutage wuchern die Vorstädte und der Autoverkehr mit ihnen ...

Wir sollten unser Überleben planen und gestalten, und zwar nicht in Richtung weiterer Zersiedelung. Wenn wir uns für weitgehend konzentriertes städtisches Wohnen entscheiden können wir einen großen Schritt in Richtung Emissionsverminderung tun und zugleich das soziale Gefüge verbessern: Von der Renaissance des Gemeinwesens über die Reduzierung der Asthma-Rate bis hin zu zahlreichen anderen sozialen Vorteilen.

Und es gibt einen weiteren Grund, die Neugestaltung städtischen Lebens mit einem Überdenken des Autogebrauchs zu verbinden. Heute gibt es 700 Millionen Autos auf diesem Planeten. Bei heutigen Wachstumsraten der Automobilsierung können Effizienzgewinne leicht konterkariert werden. Wenn wir aber unsere Stadtumgebung dahin umgestalten dass die Autos draußenbleiben, den öffentlichen Nahverkehr fördern und die Zersiedelung stoppen können wir das endlose Wuchern der Fahrzeugzahlen stoppen. Ich besitze kein Auto. Wenn man in London lebt wie ich wird die Lebensqualität dadurch gehoben. Auf dem Lande, wo meine Eltern leben, ist Autofreiheit keine Option. Hier setzt die Umgestaltung der Fahrzeuge an.

Dank des Peak-Oil-Problems werden wir mit diesem allen klar kommen müssen, ob wir wollen oder nicht. Wie Hugo Chavez kürzlich auf seinem Besuch in London sagte, werden zunehmende Ölknappheit und steigende Ölpreise viele Mittelschichtler in England gezwungenermaßen autofrei machen, und dies bald.

Aber das Sie dann gewußt. Und er ist so nahe an der autofreien Stadt. Los, Jeremy, los! Du kannst es schaffen!

"Designing ourselves to death"
Guardian
27 May 2006

 

Nachhaltigkeit von unten in Curitiba

In Curitiba, einer südbrasilianischen Provinzstadt ist Nachhaltigkeit kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern wird tatkräftig praktiziert. Die Menschen vor Ort werden in Planungsentscheidungen einbezogen. Der frühere Bürgermeister Jaime Lerner, Wegbereiter dieser Entwicklung, sagt: "Mit Kreditkarten kommen wir schnell an Waren, Faxgeräte ermöglichen schnelle Kommunikation - doch das letzte Überbleibsel unserer Steinzeit sind einsame Entscheidungen einer Zentralgewalt." Jahrelang hat er mit beachtlichem Erfolg versucht, dies zu ändern.

Im Bereich kommunaler Verwaltung ist er eine Ausnahme, ein Visionär. Nach 12 Jahren als Bürgermeister beschlossen seine Nachfolger seine Vision zu erhalten und auszubauen. Das Geheimnis erfolgreicher Stadtgestaltung liegt nicht in zentralisierter Planung sondern in organischer Gestaltung unter Teilhabe der Bevölkerung selbst. In Curitiba wurde Übereinstimmung durch weitreichende öffentliche Diskussion und breite Teilnahme der Bevölkerung erreicht. Und die besten Ideen, sowie ihre Umsetzung kamen von der Bevölkerung selbst. Ist eine Einigung einmal erreicht, werden Lösungen schnell und einfach umgesetzt. Die Ergebnisse waren exzeptionell.

Unmengen kleiner Mehrzweckprojekte wurden umgesetzt. Diese sind kostengünstig, menschennah, schnell, einfach, selbsterdacht und basieren auf Initiativen und Kenntnissen der Menschen vor Ort. Wenn Menschen, insbesondere Kinder, nicht als Last und Ruhestörer angesehen werden sondern als wertvollste Resource wird der Weg in die Zukunft schnell gefunden.

Einer der Schlüsselerfolge in Curitiba ist der integrierte Busverkehr. Curitiba hat als eine der ersten Städte ein Schnellbussystem eingeführt, der bereits in eine Reihe anderer südamerikanischer Städte exportiert wurde. Zu Spitzenzeiten fährt jede Minute ein Bus. Der Dienst ist relativ billig und die Einnahmen decken die Kosten vollständig. Als die Buslinien geplant wurden kaufte die Stadt das angrenzende Land auf um Spekulanten daran zu hindern, sich die Profite der öffentlichen Aufwendungen in die Tasche zu stecken.

Die Bushaltestellen sind mit nahezu 150 Kilometern Radwegen verknüpft. Daher nutzen weniger Menschen als anderswo in Brasilien ihre Autos, obwohl sehr viele eines besitzen. Zwei Drittel aller Wege werden im Bus zurückgelegt. Der Autoverkehr ist seit 1970 um 30% zurückgegangen, während die Bevölkerungszahl sich zur selben Zeit verdoppelte. Bemerkenswerte 20.000 Passagiere pro Stunde werden auf den Schnellbusspuren transportiert. Das System befördert drei Viertel aller Pendler, etwa 1,9 Millionen Passagiere an Arbeitstagen.

Die Stadt wurde dahingehend umgestaltet, mit der Natur, nicht gegen sie zu arbeiten. Wasserstraßen und Überflutungsbereiche wurden in Parks verwandelt. Ein Sechstel der Stadt ist Wald. Öffentliche Plätze wuchsen schneller als die Bevölkerung; tatsächlich vergrößerte sich der öffentliche Platz pro Kopf um das Hundertfache. Ein städtischer Schäfer und seine Schafherde halten das Gras in der Stadt kurz und machen es zu einer Ressource anstatt zu einem Kostenfaktor.

Eine Initiative von 1989 namens "Müll ist nicht Müll" erkannte, daß Abfälle einen Wert haben können. Heute sortieren 70% der Haushalte ihre Abfälle vor der Straßenbeseitigung. Zwei Drittel des eingetüteten und sortierten Abfalls werden gesammelt und verkauft, wodurch die Kosten für Abholung und Entsorgung aufgefangen werden.

Es waren keine besonderen Glücksfälle, die Curitiba diese Erfolge brachten. 1980 noch lag das pro-Kopf-Einkommen der Stadt nur 10% über dem brasilianischen Durchschnitt. 1996 war es bereits auf 65% gestiegen. Heute werden Unternehmen durch das ansprechende Äußere Curitibas in die Stadt gelockt, von der geringen Luftverschmutzung und dem guten Nahverkehrssystem für Pendler. Die sozial Schwachen in der Stadt sind vergleichsweise besser dran als anderswo weil die Lebenshaltungskosten niedrig sind und man sich effektiv um die kümmert, die es am meisten benötigen.

Das wichtige Prinzip Curitibas seit 1971 heisst: den Stadtbewohner als Besitzer des öffentlichen Eigentums und öffentlicher Dienste respektieren, einerseits weil die Menschen Respekt verdienen und zweitens weil Lerner sagt: "Wenn die Menschen sich respektiert fühlen entwickeln sie auch die Verantwortlichkeit für andere." Oben-unten-Systeme funktionieren nicht. Wir müssen die Menschen in die Pflicht nehmen, ihre Stadt selbst zu unterhalten, wie einst in Athen. Die Nachhaltgkeit erfordert dies.

"Curitiba - Designing a sustainable city"
which is in turn a summary of a longer document.
Thanks to Keith Parkins, who wrote the source material, for bringing it to my attention.

 

Mehrheit der Japaner pro Umweltsteuer

Die große Mehrheit der Japaner (78%) ist für eine Umweltsteuer auf fossile Treibstoffe zur Bekämpfung der globalen Erwärmung. Die Japaner favorisieren eine Anti-Treibhausgas-Steuer auf Basis der emittierten Mengen. Ausgehend von einer monatlichen Steuer in Höhe des Preises für eine Tasse Kaffee fand diese Steuer weitreichende Unterstützung. Der Umfrage zufolge könne diese Besteuerung die Verbesserung von 5,2 Millionen Hektar Wald über enen Zeitraum von vier Jahren finanzieren. Alternativ könnte die Steuer für den Ausbau von 500.000 Solarkraftwerken, 1820 Windgeneratoren, 900.000 Ökohäusern, 33.000 ökologisch ausgerichteten größeren Gebäuden oder 35.000 wenig emittierenden Fahrzeugen eingesetzt werden.

Wieder einmal ist die Bevölkerung bei diesem Thema ihren Politikern voraus. Das Problem ist in den USA noch verschärft. scheint mir, wo die schlafenden Demokraten scheinbar immer noch glauben, der Weg zum Erfolg bestehe darin, die Raubzüge der Bush-Regierung nachzuäffen. Sie werden es lernen .. irgendwann einmal.

 

Brennstoffzellen - vernünftig verwendet

In Japan wird ein Zug zu Testzwecken entwickelt, der teilweise von Brennstoffzellen angetrieben wird, womit die Machbarkeit dieser Energiequelle für den Schienenverkehr getestet werden soll. East Japan Railways beginnt demnächst mit Testfahrten dieses neuen Zuges, mit dem Ziel, Mitte 2007 den regulären Einsatz aufzunehmen.

Der Prototyp besteht aus einem einzelnen, batteriebetriebenen Waggon, der eine Spitze von 100 km/h erreicht. Zwei 65-Kilowatt Wasserstoff-Brennstoffzellen werden etwa ein Drittel der benötigten Leistung liefern. Ein Generator erzeugt den Rest. Schienenwege sind wegen der hohen Vibrationen eine schwierige Umgebung, daher sind diese Tests eine kluge Entscheidung. Der Zug wird 20% weniger Energie verbrauchen als konventionelle Züge. Vermutlich sollen, wenn das Pilotprojekt erfolgreich verläuft, Versuche mit einem Prototyp durchgeführt werden, der vollständig von Brennstoffzellen getrieben ist.

Stellt sich diese Technologie als machbar heraus wäre dies ein gewaltiger Vorteil für Eisenbahnen. Das teure und unschöne Oberleitungssystem könnte entfallen. Energieerzeugung an Bord mit Hilfe sauberer Brennstoffzellen stellt eine ideale Alternative dar. Hoffen wir dass es funktioniert!

"Japan to build 'world's first' fuel cell-powered train" [registration required]
Trains.com
14 April 2006

 

Peak Oil trifft San Francisco

San Francisco wurde zur ersten US-Stadt mit einer Entschließung, in der die Gefahren durch Peak Oil anerkannt wurden. Die Stadt verlangt einen umfassenden Plan, wie dieser Bedrohung zu begegnen ist.

Die Entschließung erhielt die einmütige Unterstützung der Aufsichtsbehörden. Sie zitiert den Hirsch Report, eine Studie, die vom US-Energieministerium in Auftrag gegeben wurde und in der festgestellt wird, daß Maßnahmen erforderlich sind um eine Treibstoffkrise abzuwenden.

Die Maßnahme kommt im Fahrwasser einer Initiative, die sich über zwei Jahre an gewählte Abgeordnete der Bay Area wendete. San Francisco ist bereits führend bei der Reduzierung des Energieverbrauchs. Eine jahrelange Untersuchung seitens Sustainlane.com kam zu dem Schluß, daß San Francisco die Stadt ist, die am Besten in einer Energiekrise bestehen wird.

Michael Poremba, Sprecher von SF Informatics, gratulierte den Behörden zu ihrem Handeln. "Es begeistert uns, dass die Stadt endlich die Peak-Oil-Problematik anerkennt", sagte er. "Unsere Gesellschaft ist vom Öl angetrieben, ebenso unsere Wirtschaft, und weitblickende Planer sollten jetzt zu überlegen beginnen - in der Tat Jahre voraus - wie wir mit zurückgehender Versorgung umgehen, denn diese Ära beginnt jetzt".

Umweltgruppen verwendeten ein farbiges Poster namens "Das Ölzeitalter" um das Thema bekannt zu machen. Auf dem Poster wird die Geschichte der weltweiten Ölförderung dargestellt, sowie eine Statistik des Energieverbrauchs mit verschiedenen Quellen, einschließlich der US-Regierung. Dieses Poster wurde Dutzenden Abgeordneten der Bay Area im Januar persönlich übergeben. Es half, den Zugang zu den Abgeordneten zu ereichen damit dieses Thema auf die Tagesordnung kam. Die Aktivistin Jennifer Bresee sagte, "einem Abgeordneten dieses Plakat hinzuknallen ist weit effektiver als das alles mit vielen Worten zu erklären."

 

Gorbatschow auf der Sonnenroute

Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat die G8-Nationen dazu aufgerufen, einen 50 Milliarden schweren "globalen Solar-Fonds" einzurichten um die Installation von Solarkraftwerken zu unterstützen, insbesondere in den Entwicklungsländern. Gorbatschow sprach zum 20. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. Er sagte dies im Blick auf den G8-Gipfel in St. Ptersburg im Juli, wo die globale Energieversorgungssicherheit ein zentrales Thema sein wird.

Gorbatschow, Vorsitzender der internationalen Grünen Kreuzes (einer Organisation, die sich globaler Umweltprobleme annimmt), warnte die G8-Führer, erneuerbare Energien in die zweite Reihe zu verbannen, hinter Öl, Gas und Atomkraft. 50 Milliarden Dollar, über zehn Jahre investiert, könnten durch Abziehen der Subventionen für fossile Treibstoffe und Atomkraft gewonnen werden, sagte er. "In den USA zum Beispiel wurden zwischen 1947 und 1999 145 Milliarden Dollar direkter Subventionen gezahlt, und weitere 145 Milliarden Dollar indirekte Subventionen. Dem gegenüber erreichten Subventionen für Wind- und Solarenergie im gleichen Zeitraum lediglich 5,5 Milliarden Dollar.

Wir werden womöglich die Atomenergie brauchen, doch Gorbatschow fordert zu Recht die Förderung erneuerbarer Energien jetzt. Zusammen mit einem aggressiven Verbrauchsreduzierungs-Programm könnte dies die Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der Atomenergie umgehen, mit allen Risiken, die sie nach sich zieht.

 

Riesenmassen in Budapest

Am diesjährigen "Earth Day" (22. April) nahmen 32.000 Menschen an der Radtour von Critical Mass in Budapest teil. Vor dem Ereignis konnten sich viele gar nicht vorstellen, dass die Demonstration im letzten Oktober noch getoppt werden könne, als 20.000 Menschen teilnahmen. Die Veranstaltung wurde von 15 Radfahrer- und Umweltgruppen organisiert.

In Folge dieser Demo von und anderweitigem Druck durch Nichtregierungs-Organisationen beschleunigt die Stadt Budapest nun den Ausbau der Radwege und nahem im Mai 2006 ein sehr ehrgeiziges Programm zur Verminderung der Luftverschmutzung an das alle Vorschläge der Umwelt- und Radlergruppen aufnimmt, einschließlich:

  • Bessere Bedingungen für Radler und Fußgänger
  • Vorrang für öffentlichen Nahverkehr auf den Straßen
  • Neuausweisung von Straßenfläche auf Hauptverkehrsstraßen der Stadt zu Gunsten von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV.
Laut dem Plan sollen Details für alle diese Maßnahmen bis Ende September ausgearbeitet werden.

Special to Carfree Times
by András Lukács
Clean Air Action Group
Budapest
More information in English
Some photographs

 

Auflegen und Fahren!

Die Stadt Montreal bittet die Provinz Quebec darum, Autofahrern das Telefonieren in der Stadt zu untersagen und die Höchstgeschwindigkeit um 10 km/h zu verringern. Montreal ist keine fußgängerfreundliche Stadt, und diese beiden Maßnahmen sollen die Bedingungen verbessern, besonders im Hinblick auf Sicherheit.

Kürzlich wurde eine "Fußgänger-Charta" veröffentlicht. Sie soll als Anfangspunkt dazu dienen, Montreal als Weltklasse-Fußgängerstadt neu zu erfinden. Die Befürworter geben sich keinen Illusionen hin: "Wir reden hier von einem entscheidenden kulturellen Umschwung für eine nordamerikanische Stadt", sagte Andre Lavallee, der an der Charta beteiligt war. "Über Jahre hinweg wurde Montreal an den Autoverkehr angepasst. Wir müssen uns die Stadt nun angepasst an den Fußgänger vorstellen."

Neben dem Handy-Verbot am Steuer und niedrigeren Geschwindigkeiten gibt es noch weitere Änderungen in der Charta:

  • 800 altertümliche Fußgängerampeln werden durch moderne Lichtsignale mit Restzeitanzeige ersetzt
  • Neuausweisung von Teilen von Innenstadtstraßen als Fußgängerpromenaden
  • weiterer Widerstand gegen das Rechtsabbiegen bei Rotlicht
  • Hartes Durchgreifen gegen Bau- und Lieferfirmen, die Gehsteige blockieren
  • Schaffung einer Straßensicherheitsbehörde mit dem Zweck, gefährliche Kreuzungen zu entschärfen
In Montreal wurden zwischen 1999 und 2003 121 Fußgänger durch Autos getötet und 8.500 verletzt. Die neuen Sicherheitsmaßnahmen könnten zu einer Stadtumgebung führen, in der die Leute ihr Auto zu Hause stehen lassen. Lavallee sagte: "Diese Charta schlägt eine radikale Verhaltensänderung vor. Wir wollen dass Montreal sich entwickelt weil ein Schlüssel zur Lebensqualität in der Stadt die Sicherheit ihrer Straßen und Gehwege ist."

"Just hang up and drive
City wants to lower speed limits, outlaw use of cellphones"
The Gazette
8 June 2006


Leitartikel


Abgrenzung eines kleinen Platzes
Letnany, Prag
©2006 J.Crawford

Feldversuch in Prag

J.H. Crawford

Auf der Budapester Towards Carfree Cities-Konferenz letzten Sommer bauten wir ein Modell eines autofreien Viertels aus gewöhnlichem Töpferlehm. Dieser Versuch verfolgte die Absicht, morphogenetisches Design auszuprobieren und in Richtung teilnehmendem Design weiterzugehen. Die Leute waren mit diesem Prozess ziemlich beschäftigt und die Ergebnisse waren interessant und lohnend.

Im Zuge des diesjährigen Treffens in Tabor wollten wir nun einen Test in teilnehmendem Design im Maßstab 1:1 machen. Am Sonntag, dem 28. Mai traf sich ein Dutzend Leute mit mir auf einem Gelände in Prag um einige der Prinzipien auszuprobieren, die ich für das neue Buch entwickele. Regen und Wind haben die Beteiligung gedrückt, die ich lieber bei 30 oder 40 Leuten gesehen hätte, aber die, die gekommen waren, widmeten sich der Sache, die frustrierender war als ich zunächst angenommen hatte, mit Hingabe.

Wir verwendeten Schnüre und Pfosten um ein autofreies Viertel auf einem Feld darzustellen. Dies hatte die Form eines rechtsseitigen Dreiecks von 300m Länge und 200m Weite. Wir nahmen an, dass [the point] jeder Punkt des Dreiecks sich mitten in einem weit größeren autofreien Bezirk befinden würde. Wir versuchten etwa zehn Blöcke - Wohnraum von etwa 900 Menschen - auf drei Hektar Land darzustellen. Jeder Mensch sollte dabei das Recht auf 2m Straßenfront in einem vierstöckigen Gebäude haben, was relativ komfortablen Platz für Wohnen und Arbeiten bedeutet. Die Dichte sollte in etwa der des Referenzbezirks entsprechen wie in Carfree Cities dargelegt.


Gebäude rings um einen kleinen Block
©2006 J.Crawford

Ursprüngliche Absicht war, Gruppen von vier Leuten zusammenzustellen, wobei jede Gruppe einen der zehn Blöcke darstellen sollte, die gebildet werden sollten. Dies stellte sich mit so wenig Menschen als unmöglich heraus, doch wir schnitten einige Längen Schnur und banden sie zu Schleifen zusammen. Jede Schleife repräsentierte den Umfang eines Blocks und wurde von vier Leuten auf Hüfthöhe gehalten, wodurch dieser Block dargestellt wurde. Die Länge dieser Schnüre lag zwischen 100 und 170 Metern, um Blöcke vernünftiger Größe darzustellen. Wir versuchten drei Blöcke gleichzeitig darzustellen, doch dies ging zugegebenermaßen nicht besonders gut. Es zeigte sich, dass mehr Menschen nötig sind um diesen Arbeitsschritt gelingen zu lassen. Das Fehlen des maßstäblichen Eindrucks ergibt einen schwachen Eindruck darüber, wie groß diese Blöcke sind oder wie sie im Verhältnis zu anderen Blöcken in der Nähe stehen.

Die Teilnehmer hatten den Eindruck, dass Schlußfolgerungen in diesem Teil des Versuchs reichlich willkürlich waren. Ich stimme dieser Einschätzung zu. In diesem Falle wurden die Probleme verschärft weil besondere Merkmale fehlten, die das Design beinflusst hätten (beachten Sie wie die Örtlichkeit das Design in Obidos, oben in dieser Ausgabe) beeinflusst. Es stellte sich auch heraus, dass die "städtischen Dörfer", die in meinem Buch vorgeschlagen habe, wirklich nicht nur optional sind. Jedes städtische Dorf würde einen Block umfassen. Es ist nun klar, dass wir zunächst Menschen in einem gedachten Dorf versammeln müssen, dann diese Gruppen auffordern, einen Teil auf dem Gelände zu suchen, der ihnen gefällt und erst dann damit beginnen die verschiedenen Dörfer/Blöcke in einer Weise zu gestalten, die die Bedürfnisser aller befriedigt.


Darstellung eines kleinen Platzes
©2006 J.Crawford

Als der Versuch sich mehr auf kleinere Bereiche und Plätze konzentrierte gingen die Dinge wesentlich leichter. Die Leute verstanden unmittelbar, wie die Gebäude zueinander passen würden, und wie Größe und Form der Plätze sich darauf auswirkten, wie sie sich "anfühlten". Wir setzten uns zum Mittagessen auf den Platz, den wir gemacht hatten und die Leute waren sich einige darin, dass er ihnen gefiel. Manche Teilnehmer gingen so weit zu entscheiden wo gewisse Funktionen, wie etwa die Bäckerei, liegen sollten.

Zwei Dinge überraschten mich ein wenig. Zuerst waren die Leute bereit und sogar sehr darauf aus, sehr enge Straßen zu machen, bis zu 2m Breite. Solch enge Straßen existieren reichlich in alten Städten, werden aber heute so gut wie gar nicht mehr gebaut. Das hat natürlich viel mit Autoverkehr zu tun, doch der Zugang bei Notfällen ist ein hartnäckigeres Problem. In Japan ist man diesem Problem durch den Bau von Feuerwehrfahrzeugen sehr geringer Breite begegnet, die sich in den kleinsten Gassen bewegen können, und es gibt wirklich keinen Grund, weshalb dies nicht auch andernorts funktionieren sollte. Das Verlangen nach schmalen Straßen mit nicht parallen Seiten und komplexer Geometrie überraschte und freute mich.


Mittagessen auf dem Platz
©2006 J.Crawford

Der zweite interessante Punkt war, dass die Leute sofort bereit waren, Passagen durch die Innenhöfe zuzulassen, die diese für die Öffentlichkeit verfüg machen. In Venedig kennt man solche Passagen als "Sottoportego" und es handlet sich um nichts weiter als einen ebenerdigen Tunnel durch ein Gebäude zu dem Platz dahinter. Ich neigte bislang zu der Annahme, dass die meisten Menschen Hinterhöfe eher abgeschlossen und privat haben wollten, doch diese Gruppe war gerne bereit im Mittelpunkt eines Blocks drei Öffnungen zum Hof hin zu gestatten (solche Arrangements kommen in der Prager Altstadt vor.)

Schlussfolgerungen

Menschen mögen mittelalterliche Räume. Dies wusste ich schon seit einiger Zeit, weil die meisten touristischen Gebiete tatsächlich in den ältesten Gebieten der Städte liegen. Neuere Stadtteile mit breiten, geradlinigen Straßen wie sie hauptsächlich seit dem 17. Jahrhundert vorkommen, sind weit weniger populäre Ziele. Menschen sind gerne bereit, städtischen Raum zu entwickeln, der an die mittelalterlichen Bezirke erinnert, die sie so gerne mögen, und es scheint ein immanentes Verständnis dafür vorhanden zu sein, dass kleine, intime Gebäude, Straßen und Plätze dafür unerlässlich sind.

Die Leute mochten den Vorgang selbst. Sie sahen darin den Anfang eines Prozesses, der zu neuen sozialem Zusammenhalt in der Nachbarschaft führt. Der Vorgang fand in einer Atmosphäre der Zusammenarbeit statt, wenn auch mit Konflikten gerechnet werden muss wenn diese Umgestaltung einmal in der Realität durchgeführt wird, wenn echte Straßen und Gebäude auf dem Spiel stehen.

Das städtische Dorf muss zur Grundlage des Nutzer-Designs werden. Niemand kann damit rechnen, dass eine Gruppe von Tausend sich unbekannter Menschen an einem Tag, wo ein autofreier Bezirk festgelegt wird, in sinnvollen Gruppen zusammentun wird. Monate der Vorarbeit werden dafür nötig sein. Nachdem die Festlegung von Blöcken die Identifikation der Bewohner erfordert ist schwer abzusehen wie die Gestaltung des Geländes durch die Nutzer weiter voran gehen kann bis sie sich in Gruppen zusammengefunden haben, womöglich nach einem langen Prozess sorgfältiger Beratung und eventuell der Findung von Kompromissen.

Die Platzierung der Blöcke im Verhältnis zueinander erfordert ebenfalls Überlegung. Die Versuchung wird da sein, dies nach den letzten simplen Papierskizzen zu tun. Ich würde den Gebrauch von Papier völlig zu vermeiden suchen, ausser dazu, das Ergebnis festzuhalten wenn das Design fertig ist. Vielleicht sollte der Gestaltungsvorgang eines städtischen Dorfes auf dem Grund selbst stattfinden, so dass sich die Dorfbewohner zu den Teilen des Geländes bewegen, die sie am Besten mögen und die am geeignetsten sind, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen.

Die Machbarkeit von Gestaltung im Feldversuch, wenn auch in kleinerem Maßstab als im ganzen Block scheint durch diese Übung bestätigt worden zu sein. Die Leute verstanden sofort, worum es ging und es gab keine Schwierigkeiten mit Bereichen oder Maßstab. Ich sorge mich lediglich darum, wie viel mehr Überlegungen nötig sein werden wenn es um das Gefühl geht, das relativ höhere Gebäude an engen Straßen vermitteln. Die Menschen könnten letzten Endes entscheiden, dass sie dann doch etwas breitere Straßen wollen. Ich werde dieser Frage nachgehen.

Ich werde den vierten Teil des Buches umfassend umarbeiten um die Ergebnisse dieses Versuchs widerzugeben. Insbesondere wird mehr Gewicht auf die Ausbildung städtischer Dörfer gelegt werden.

Dank

Ich möchte Ed Beale, Petra Beyerova, Patrick Collins, Linda Drevikovska, Simon Field, Randy Ghent, Markus Heller, Michal Krivohlavek, Petr Kurfurst, Martin Nawrath, Steve von Pohl und Jakub Smolik für ihre Teilnahme danken. Es war ein kalter, windiger Tag mit gelegentlichem starkem Regen, was mich umso dankbarer für all die Hilfe macht.

Ebenso möchte ich Jakub Sklenka und Jan Jelinek von CODECO Real Estate Development dafür danken, dass sie das Gelände verfügbar machten und die Erlaubnis der Stadt einholten, diese Übung durchzuführen.


 

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